Wir alle machen Fehler und meine größten liegen im privaten Bereich, den ich hier und heute allerdings nicht breittreten möchte. Daher habe ich das Thema für mich etwas weiter gedacht und bin auf einen für meinen gesamten beruflichen Lebensweg sehr wichtigen Zusammenhang in Sachen Fehler gestoßen. Davon soll mein Beitrag handeln und die Blogparade von Danielle Berg zum Thema „Für diesen Fehler bin ich wirklich dankbar“ um einen weiteren Artikel ergänzen.
Mein Einstieg ins Berufsleben
Direkt nach meinem Abitur 1985 habe ich meine Ausbildung zur Industriekauffrau begonnen. Wie das zu jenen Zeiten üblich war, waren meine ersten Chefs allesamt männlich. Lediglich die erste Kraft der Zentralverwaltung war eine Frau, Typ Fräulein Rottenmeier: statt wirkliche Inhalte ihrer Abteilung zu „teilen“, musste ich Kaffee kochen, freundliche Worte Fehlanzeige. Kein Vorbild für mich, beschloss ich seinerzeit und kochte den schlechtesten aller Kaffees, danach fragte sie mich nie wieder.
Nach meiner Ausbildung wurde ich übernommen, denn ich hatte damals schon technisches und kommunikatives Talent bewiesen. Also landete ich bei der Material-Disposition. Der Abteilungsleiter: ein Mann; sein Vorgesetzter, Leiter Materialwirtschaft: ein Mann. Die mit mir Arbeitenden: Frauen, ohne jegliche Weisungsbefugnis, aber fleißig und kompetent. Das klassische Bild der auslaufenden 80er, sogar im recht modernen, weltoffenen Hamburger Speckgürtel.
Nach drei Jahren zog ich nach Bremen. Auch hier: Firmenchef, Abteilungsleiter und direkte Vorgesetzte waren männlich, die einzigen zwei Kolleginnen arbeiteten in der Buchhaltung, ich arbeitete als technische Einkäuferin. Meine Ansprechpartner: Männer. Dies und jenseits des Telefons sowie der Computerleitung. Ich konnte schon immer gut mit Männern, fühlte kein Ungleichgewicht in der Aufgabenverteilung. Und doch blieb mein Arbeitsumfeld geprägt von der Rollenverteilung „Mann hat das letzte Wort“ oder „Komm, Mädchen, lass mich mal machen“.
Team-Mitglied
Bei einem weiteren Umzug in den Großraum Hannover erlebte ich zum ersten Mal eine mir vorgesetzte Frau. Bei einem Hersteller von Industrie-Verbindungselementen bekam ich einen Arbeitsplatz im Vertrieb, als Mitglied eines Teams im Vertrieb, geleitet von einer Frau. „Team“ nannten wir uns, waren keine „Abteilung“ mehr, das war neu für mich. Und auch wenn das Arbeitsklima ab sofort weniger dem bisher gewohnten „von oben nach unten“ entsprach, fügten auch hier die Frauen sich maßgeblich den tonangebenden Männern in den übergeordneten Abteilungen.
Ich habe noch sehr genau in Erinnerung, dass meine Briefe an die Kunden nicht frei formuliert werden durften. Stattdessen musste ich vorgefertigte Satzfragmente, zum Teil sogar ganze Absätze, verwenden – die durchnummeriert auf einem Formblatt anzukreuzen waren. Nur um anschließend vom Schreibbüro (bestehend aus Frauen) zusammengefügt zu werden. So hatte ich mir meine Arbeit nicht vorgestellt. War bald gelangweilt und als ich nach nicht einmal einem Jahr schwanger wurde, entkam ich dem doch sehr eintönigen, weil wenig entfaltungsfreiem Büroalltag. Nach der Geburt meines zweiten Kindes wollte ich nicht zurück an diesen Arbeitsplatz und kündigte.
Thema verfehlt?
So weit, so gut. „Gabi wollte doch einen Artikel zum Thema Fehler machen schreiben“, fragst du dich das inzwischen? Vielleicht würde ein Deutschlehrer an dieser Stelle ein „Thema verfehlt“ an den Rand notieren. Keine Sorge, ich komme gleich darauf zu sprechen, hab nur noch diesen Absatz lang Geduld.
Mein Einstieg zurück in das Berufsleben nach fünf Jahren Erziehungszeit daheim war nicht ganz so einfach, entpuppte sich jedoch im Nachhinein als Glücksgriff. Vom Arbeitsamt bekam ich eine freie Stelle vermittelt: Zum ersten Mal erlebte ich eine echte Chefin. Als Geschäftsführerin eines Kunststoff-Spritzgusswerkes mit eigenem Maschinenbau war dieses Vorstellungsgespräch eine wahre Offenbarung.
Ich war fortan, obwohl ich nur Teilzeitangestellte war, vollwertige kaufmännische Kraft. Mit eigener Verantwortung für Materialplanung und Auftragsabwicklung, Produktionsplanung und Reklamationsbearbeitung. Das Vertrauen, das ich erlebte, bekam ich geschenkt. Dass ich es verdiente, zeigte ich durch hochgradig motivierten Arbeitseinsatz.
Wer ehrlich zu seinem Fehler steht, wird belohnt
Der Wind, der in diesem von Frauen geführten Unternehmen wehte – auch die Leiterin der Qualitätssicherung war weiblich – beflügelte. Hier lernte ich etwas, das mich für den Rest meines weiteren Lebens maßgeblich prägte. Meine Chefin vertrat die Meinung, dass alle Angestellten, egal ob leitend oder einfach, im Unternehmen waren mit dem gleichen Ziel: Kundenzufriedenheit. Sie sagte:
Wir sind alle nicht perfekt und machen Fehler. Fehler, die Geld kosten. Fehler, die vielleicht vermeidbar waren, jedoch dennoch geschehen. Also ist am Ende egal, WER den Fehler gemacht hat, WIR merzen ihn gemeinsam aus. Niemand braucht Angst zu haben, einen Fehler zu machen, denn er wurde gemacht, weil wir etwas verbessern können. Und genau das machen wir jetzt. Zusammen.
Das Vertrauen, nicht abgekanzelt zu werden, wenn etwas schiefging, erzeugte einen Teamgeist, den ich so vorher noch nicht kennengelernt hatte. In diesem Unternehmen lernte ich, wer offen und ehrlich für seine Arbeit Verantwortung zeigt, wird belohnt für seine Haltung, umgehend einen Fehler zu offenbaren. Keine Abmahnung, kein Abkanzeln folgte, sondern lediglich die Feststellung und anschließende Frage: „Wie können wir das nun gemeinsam wieder hinbekommen?“ Von Bestrafung keine Spur.
Dieses zu erleben in täglicher Praxis, Woche um Woche, Jahr um Jahr hat mir klargemacht, dass Frauen anders arbeiten und Arbeit wirklich Spaß machen kann. Gemeinsamkeit leben und echtes Verständnis fördern anstatt Wettbewerb, Missgunst oder Ignoranz zu kultivieren. Moderne Menschenführung Mitte der Neunziger par excellence. Wer ehrlich zu seinen Fehlern steht, wird belohnt: mit Vertrauen. Noch heute trägt mich die Erinnerung an diesen Arbeitsplatz und die freundschaftliche Atmosphäre.
Ich lebe und arbeite seit 2003 an der Mosel und habe, im nunmehr 21. Jahr: wieder einen Chef. Der mich jedoch als überaus selbstbewusste Angestellte kennenlernte und dies von Anfang an schätzte. Eine Frau, die in der Männerdomäne Maschinenbau ihre Frau steht. Die gerade, weil sie Frau ist, Fingerspitzengefühl und Empathie mitbringt. Somit für die Kundenzufriedenheit maßgeblich wichtig ist.
Und du? Hast du ein ähnliches Verhältnis kultivieren können zu Fehlern – egal, ob es deine eigenen oder die anderer sind? Das Bewusstsein, mit Männern auf gleicher Stufe zu stehen, ganz selbstverständlich, habe ich in meinen jungen Jahren im Arbeitsumfeld nicht erlebt. Darum bin ich für jeden Arbeitsplatzwechsel, jeden neuen Wohnort dankbar. Ich konnte viele Erfahrungen sammeln im Umgang mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten; und ja: von einigen habe ich mir etwas – mitunter das beste – abgeguckt.
Durch Fehler lernen, nichts anderes tun Kinder
Kinder fallen und stehen wieder auf. Sie versuchen und probieren neues. Sie fragen und lernen. Vielleicht sollten wir uns daran häufiger erinnern und sie zulassen, freundlich empfangen und nicht verdecken, unsere Fehler. Wenn wir sie erkennen und darüber sprechen, finden wir eine Lösung, womöglich zusammen. Miteinander sind wir letzten Endes doch am stärksten, findest du nicht?
Ich zum Beispiel kann dir helfen, ins Schreiben zu kommen. Als Dozentin für Kreatives Schreiben kenne ich mich damit richtig gut aus. Lust auf ein Kennenlernen? Dann schreib mir einfach eine Nachricht, schau dir meine Null-Euro-Angebote an oder komm direkt in meinen nächsten Schreibkurs. Ich freue mich darauf, dich kennenzulernen. Und wenn du meinst, du machst zu viele Fehler – lerne daraus und werde besser 🙂
Viele Grüße Gabi
Gabi Kremeskötter
Liebe, die durch Worte strahlt
Freie Rede – Schreibworkshops – Lektorat
Liebe Gabi,
danke für diesen erfrischenden Blog-Beitrag. Mir sind während des Lesens eine ganz Reihe von Situationen eingefallen, die ich genauso erlebt habe.
Bei mir hat es allerdings viel länger gedauert, bis ich einer Frau mit dieser Haltung begegnet bin, was ich heute noch bedauere. Denn ich hätte sehr viel von ihr lernen können, ehe ich selbst Chefin wurde.
Im Gegensatz zu den Männern, die zuvor quasi mein Vorbild waren (oder sein sollten) habe ich meine Fehler stets offen und ehrlich eingestanden. Mir geht gerade so viel durch den Kopf, vielleicht lohnt es sich, dass ich dazu auch einen eigenen Blogbeitrag verfasse 🙂 – Danke für die Inspiration und Grüße zu Dir
Heike
Liebe Heike,
danke für deine reflektierenden Worte! Ich wünsche jeder Angestellten genau so eine Chefin wie meine, die mir Wegweiserin und Vorbild wurde.
Und ja- schreib einen Artikel dazu! Ich glaube, viele Frauen können Anregung und Erfahrungsberichte nach wie vor so gut gebrauchen, um ihre Frau (und nicht den sprichwörtlichen Mann) zu stehen.
Ich freue mich darauf, von dir zu lesen!
Gruß Gabi