Danke, Mama und Papa – Ihr habt so vieles richtig gemacht!

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Frau im Sommerkleid vor heller Wand mit Bougainvillea und Danke-Handgeste
DANKE! (Foto Michaela Grönnebaum)

Im Rahmen der diesjährigen Blogparade-Saison fragt Birgit Ising in ihrem Aufruf „Mensch, Mama! Och, Papa!“ – Was hättest du dir von deinen Eltern so sehr gewünscht? Birgit steht mit ihrem Blog für das Thema „Beziehung zu den eigenen Eltern und Großeltern“, wie ist also meine zu den Meinen? Eine durchweg positive, denn die Liebe meiner Familie habe ich mit der Muttermilch eingesogen. Sie steht und stand immer ganz oben, meine Sippschaft hält zusammen ohne Wenn und Aber. Und doch kommen beim intensiver darüber Nachdenken, manche Situationen hoch, in denen ich nicht wunschlos glücklich war. Meine Gedanken dazu halte ich in meinem folgenden Beitrag fest, doch soviel vorweg: Ich hatte eine wirklich gute, behütete, tolle Kindheit! Darum sage ich Danke, Mama und Papa – Ihr habt so vieles richtig gemacht!

Danke, Mama und Papa

Liebe Mama, dich habe ich noch, lieber Papa, da oben auf dem Mond: Ich widme euch diese Zeilen, um Danke zu sagen. Danke für eure Liebe, ohne die ich nicht auf der Welt wäre. Danke für eure Liebe, Fürsorge, Zeit und ungebrochenes Interesse an meinen Dingen. Wie habe ich meine inzwischen 58 Jahre mit euch erlebt?

Meine Zeit mit euch im Rückblick

Mit meinen beiden Geschwistern bin ich aufgewachsen als Sandwich-Kind, die größere Schwester musste erkämpfen, was ich anschließend wie selbstverständlich durfte; mein kleinerer Bruder, der mich heute um einiges überragt, war der Bastler und Helfer, wenn etwas kaputtging. Von typischen Geschwisterkonflikten mal abgesehen, erlebte ich meine Kindheit und Jugendzeit frei von innerfamiliären Konflikten. Wir lebten bescheiden aber gut zu fünft mit Hund in einer Vierzimmerwohnung und hatten alles, was wir brauchten. Den Sommer über verbrachten wir viel Familienzeit mit Omas&Opas, Tanten, Onkeln und Cousinen an der Ostsee auf einem Campingplatz. Sonne, Meer, Sand und Freiheit – was will Kinderherz mehr?

Sommerspaziergang entlang der Steilküste an der Eckernförder Bucht mit Oma, Opa, Tante, Bruder und Cousinen
Sommerspaziergang entlang der Steilküste an der Eckernförder Bucht mit Oma, Opa, Tante, Bruder und Cousinen; 1978

Meine Schwester war für mich die Vorreiterin, weil zweieinhalb Jahre älter. Meine Eltern erlaubten mir alles. Ob das an ihren Kämpfen lag, die sie vor mir ausgefochten hatte, oder ich einfach so brav und „gut geraten“ war, keine unangemessenen Dinge verlangte, kann ich heute nicht mehr sagen. Fakt war, ich durfte schon mit 14 Jahren auf Partys bis weit nach Mitternacht bleiben; ihr kanntet alle meine Freundinnen und Freunde und vertrautet mir – und ihnen. Enttäuscht habe ich diese Vorschusslorbeeren nie. Warum auch, ich fühlte keine engen Grenzen, musste daher keine sprengen. Illegales interessierte mich nicht, dafür war ich viel zu schüchtern und ängstlich. Über die Stränge schlug ich nie, war mir den Konsequenzen meines eigenen Handelns jederzeit bewusst.

Später, als ich längst ausgezogen und meine eigene Familie gegründet hatte, wart ihr immer da, wenn ich euch brauchte. Ob als Umzugshilfe, Babysitter, Urlaubsort: ich kann mich an kein einziges „wir haben keine Zeit, nein, das ist uns zu anstrengend, wir haben keinen Platz“ erinnern. Dieses Wissen und Vertrauen hat mich durch reichlich Täler gehalten und gestärkt. Auch wenn ich meine Dinge allein ordnen und leben musste, fühlte und fühle ich mich bis heute nicht wirklich allein.

Ich danke euch beiden, dass ihr wesentlich dazu beigetragen habt, dass ich geworden bin, was ich heute bin. Mit unverbrüchlicher Elternliebe, positivem Denken und jenem unersetzlichen Urvertrauen habt ihr mir mehr Kraft geschenkt, als ich jemals verbrauchen könnte.

Älteres Paar in ihren 70igern an einem Tisch mit Essen, im Hintergrund eine Bruchsteinmauer
Mutsch (72) und Paps (77) in Traben-Trarbach 2010, nachdem sie mir wieder einmal bei einem Umzug geholfen haben.

Was ich mir trotzdem gewünscht hätte

Mich an die Hand nehmen

Ich durfte alles – doch musste ich mir das selbst ermöglichen. Als ich zum Beispiel nach vielen Jahren im Schwimmverein lieber mit Leichtathletik beginnen wollte, sagtet ihr nur: „Klar, mach, such dir eine Trainingsgruppe.“ Das tat ich und zum ersten Trainingstag fuhr ich mit dem Fahrrad zum Stadion, allein. Wie gern hätte ich einen von euch bei mir gehabt, um mir den Rücken zu stärken angesichts so vieler fremder Kinder und Trainer.

Doch ich überwand meine Angst und ging ins Stadion. „Hallo, ich bin Gabi und möchte mitmachen!“ Für mich als schüchterne Zwölfjährige war das eine echte Mutprobe. An der ich letzten Endes gewachsen bin. Doch glaube ich nicht, dass genau das eure Intention war, ihr hattet einfach mit anderen Dingen zu viel um die Ohren und wart froh, dass ich mich selbst an die Hand nahm.

Leichtathletik-Mädchenmannschaft der LG Wedel-Pinneberg, 1982
Meine Leichtathletik-Mädchenmannschaft der LG Wedel-Pinneberg, 1982; ich stehe als 16jährige links außen. Hättest du mich erkannt?

Ein eigenes Zimmer

Ein eigenes, rauchfreies Zimmer wäre großartig gewesen. Weil unsere Wohnung jedoch nicht mehr hergab, teilte ich mir meines mit meiner Schwester. Sie rauchte Zigaretten wie du, Papa, und das auch noch im gemeinsamen Zimmer. Mich, die sportlich unterwegs und der Anti-Drogen-Bewegung sehr aufgeschlossen war, störte der Qualm und Gestank jeden Abend sehr. Das ausgehandelte ab 22 Uhr Rauchverbot konnte nicht über den Geruch im Bettzeug und meinen Klamotten hinwegtäuschen. Erst als meine Schwester auszog, bekam ich mein eigenes Reich. Frisch renoviert und umgeräumt lebte ich dort für weitere fünf Jahre 🙂

Gespräche auf Augenhöhe

Als ich begann, mein eigenes Leben außerhalb unserer Familienwohnung zu führen, entschied ich oftmals sehr emotional, unbedacht, spontan. Lebenserfahrung „für da draußen“ hatte ich keine gesammelt, war die Jahre bis dahin eingewoben in einen schützenden und liebenden Kokon. Kein Wunder also, dass die vollkommen anders tickenden, neuen Menschen, mich als naiv, leicht zu beeindrucken und zu verarschen kennenlernten.

Im Nachhinein hätten mir ernsthafte Gespräche auf Augenhöhe sehr geholfen. Eine echte Auseinandersetzung von euch mit meinen Zielen – anstatt lediglich euer vertrauensvolles „Gabi, mach du nur, das wird schon klappen“ – hätte mich vielleicht nicht in jeden meiner Ausnahmezustände getrieben. Denn natürlich klappte nicht alles, von wegen!

Meine persönlichen Krisen habe ich nicht kommen sehen, erlebte sie vollkommen unvorbereitet. Lügen, Betrug, Verrat, körperliche und seelische Schmerzen. Bis in meine 40er hinein, folgte ich diesem verinnerlichten Positivismus und holte mir eine Beule nach der anderen. Egal wie oft ich bei euch anklopfte, zu welcher Tages- oder Nachtzeit: Ihr habt mich aufgefangen, keine Frage. Doch mit tiefgehendem Rat vorher wäre ich vielleicht in das eine oder andere Loch nicht hineingefallen.

Meine ältere Schwester

Ja, ich hatte noch eine zweite Schwester. Sie war zehn Jahre älter und stammte aus der ersten Ehe meines Vaters. Mama wusste immer von ihr, doch die Umstände der späten 1950/60iger ließen eine gemeinsame Familiengeschichte nicht zu; später kamen existentielle Gründe hinzu, die aus ihr und uns kein Wir werden ließen. Erst als sie 44 Jahre alt war, lernten wir uns kennen und sie war daraufhin für zehn Jahre meine vertraute Freundin und Seelenverwandte.

Mit ihr führte ich all die vermissten Gespräche; die mich rührten, mich formten, mich sahen. Als sie 2009, nur 54 Jahre alt, elendig an Krebs starb, war ich lange Zeit untröstlich. Auch heute steigen mir Tränen auf, wenn ich intensiv an sie denke. Ich wünschte, wir hätten uns früher kennengelernt, als Schwester mit drei weiteren Cousins und einer Cousine wäre sie eine echte Bereicherung gewesen. Sie fehlt mir auch heute noch sehr.

Mein Fazit

Danke, Mama und Papa, egal, was vielleicht nicht war, besonders ist, was ist 🙂 Ich lebe in einem festen, liebevollen Familienverbund, den ich so immer, immer, immer wieder wählen würde! Ihr beide habt stets für eure Familie gesorgt, euch gekümmert und sicher auch einiges geopfert. Heute und hier sage ich: Danke dafür, dass ihr so vieles richtig gemacht habt! Was für ein Glück ich doch habe, eure Tochter zu sein 🙂


Lächelnde Frau vor Efeu-Wand mit einem Notizbuch in der Hand, darauf der Claim "Liebe, die durch Worte strahlt"

Gabi Kremeskötter

Liebe, die durch Worte strahlt

Freie Rede – Schreibworkshops – Lektorat


14 Kommentare

  1. Liebe Gabi,
    was für ein wunderbarer Beitrag zu meiner Blogparade. Schön, dass sie dich dazu inspiriert hat.
    Und von Herzen einen großen Glückwunsch zu deinem Gefühl einer glücklichen Kindheit. Toll finde ich das!
    Und dennoch zeigt deine Geschichte, dass nicht IMMER ALLES großartig sein kann, dass Licht und Schatten zusammenwohnen. Besonders berührt hat mich „Gabi, mach du nur, das wird schon klappen“ – dieses Vertrauen, das Zutrauen in meine Fähigkeiten habe auch ich kennengelernt. Aber auch das Gefühl des allein gelassen Werdens, das darin verborgen lag. „An die Hand genommen werden“, so schön, so sanft hätte ich es nicht ausdrücken können.
    Danke, liebe Gabi.
    Herzlichst
    Birgit

    1. Liebe Birgit,
      herzlichen Dank für deine Zeilen! Ich freue mich sehr über deine Anerkennung.
      Ich hatte meiner Mama (86) am Freitag den Ausdruck des Artikels geschickt und gestern rief sie ich überglücklich an und bedanke sich ebenfalls. Wir wissen, im jahrzehntelanger Beziehung kann nicht immer alles richtig laufen, doch die Liebe und das Vertrauen bauen die Brücken, die unzerstörbar bleiben. So wie in meiner Familie. Ich weiß dieses Geschenk sehr zu schätzen, jeden Tag.
      Liebe Grüße
      Gabi

  2. Liebe Gabi,
    wir sind ja selbst Mütter und sehen die Eltern/ Kind Beziehung ja aus beiden Blickwinkeln. Mir wird immer bleiben, dass ich mich frage, ob es genug war, was ich den Kindern gegeben habe. Ich hab mich nie als berufstätige Mutter gesehen, ich wäre gerne zuhause geblieben. Das ging aber nicht – und ich glaube, die Balance ist mir gut gelungen. Aber ein Rest Bedauern bleibt.
    Ich denke, möglicherweise war es für Deine Eltern eine große Sache, Dich zu bestärken und sie haben es nur gut gemeint. Sie kommen vielleicht auch noch aus Zeiten, in denen das nicht selbstverständlich war. Von daher freue ich mich, dass bei Dir die guten Gefühle überwiegen.
    Liebe Grüße
    Britta

    1. Liebe Britta,
      ja, selbst Mutter zu sein seit vielen Jahren hat den eigenen Blick auf unsere Eltern ganz sicher verändert.
      Wissen wir doch inzwischen um die nötige Balance zwischen mir und dir, halten und loslassen.
      Ich glaube fest daran, wenn Liebe unser erster Beweggrund ist, kann keine Entscheidung vollkommen falsch sein und im Gespräch oder einer Nachschau verstehen lernen helfen.
      Viele Grüße zu dir
      Gabi

  3. Liebe Gabi, dein Beitrag berührt mich sehr, schon allein wie du deine Eltern ansprichst, der „Papa oben auf dem Mond“. Dein Beitrag berührt mich, die ich die Kindheit sehr anders erlebt habe. Ich gebe zu, da spielt ein wenig sehnsüchtiger Neid eine Rolle, so hätte ich es gern gehabt als Tochter und als Mutter. Gleichzeitig ermutigt mich dein Artikel, weil es so unterschiedliche Lebensrealitäten gibt, weil es Familien, wie die deine gibt, wo sicher nicht alles rund läuft, aber das Wesentliche schon. Das stimmt mich optimistisch und macht mich gleichzeitig froh. So miteinander zu sein wie ihr, hat schon etwas von Vorbildcharakter. Es erinnert mich an die Familie einer Mitschülerin. Mit der war ich zwar nicht befreundet, aber ich war so oft es ging bei ihr und ihrer Familie. Das hat mein Bild davon, wie Familie sein kann, geprägt. Liebe Grüße Sylvia

    1. Liebe Sylvia,
      lieben Dank für deine Zeilen. Familien sind so unterschiedlich wie wir Menschen und letzten Endes müssen wir ab einem bestimmten Zeitpunkt in unserem Leben ebendieses selbst in die Hand nehmen. Das behalten, was gut war, das ändern, was bedrückte.
      Ich bin sicher, du hast nicht nur deshalb deinen Berufsweg gewählt, um dir und den Menschen, die sich dir anvertrauen, eine gute Richtung zu weisen.
      Herzliche Grüße
      Gabi

  4. Liebe Gabi, danke sehr für das teilen deiner Geschichte.
    So persönlich und so bereichernd um mich noch verbundener zu fühlen als ich es davor schon schon fühlte. Danke ☀️

    1. Liebe Petra,
      deine Wertschätzung freut mich sehr!
      Wenn meine Erzählungen Verbindung begründen, habe ich alles richtig gemacht damit, meine Erfahrungen zu teilen.
      Hab Dank
      herzlichst Gabi

  5. Liebe Gabi,

    ich habe deinen Text so gerne gelesen – er ist ja nicht nur eine Liebeserklärung an deine Eltern, sondern an deine ganze Familie. Und das ist wunderschön!

    Übrigens fand ich einen deiner Sätze aus den Kommentaren so gut, dass ich ihn mir direkt aufgeschrieben habe: „Wenn Liebe unser erster Beweggrund ist, kann keine Entscheidung vollkommen falsch sein.“ Was für eine wunderbare Sichtweise.

    Ich wünsche dir alles Gute
    Ilka

    1. Liebe Ilka,
      ich freue mich sehr, wirklich sehr über deinen Kommentar!
      Und dass du dir sogar einen Satz von mir als Zitat notiert hast, das ist ein Riesenkompliment für mich 🙂
      Ja, meine Sippe hält zusammen – und auch raue Tage überstehen wird immer wieder.
      Der Klebstoff ist die Liebe.
      Herzlichen Dank!
      Viele Grüße
      Gabi

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