Die gut erzählte Geschichte lebt vom Dialog. Was wir im täglich direkten Gespräch selbstverständlich nutzen, lässt sich im geschriebenen Text nicht automatisch anwenden. Denn das Lesen eines elendig langen Monologs ist ebenso nervtötend wie Dialoge, die die Handlung nicht wirklich voranbringen. Ein spannendes Gespräch, auch wörtliche Rede genannt, zu schreiben, bedarf daher der Kenntnis einiger wichtiger Punkte. Wie dir ein guter Dialog gelingt, das erkläre ich dir in meinem Schreibtipp.
Was ist ein Dialog?
Ein Dialog ist eine sprachliche Auseinandersetzung mindestens zweier Personen. Die Sprechenden tauschen dabei Informationen aus, die durch Rede und Gegenrede transportiert werden, deshalb wird der Dialog auch Wechselrede oder Zwiegespräch genannt. Beim Schreiben wird das Gespräch textlich durch das Stilmittel „wörtliche Rede“ in Anführungszeichen gesetzt und damit wortwörtlich wiedergegeben. Zum Dialog gehören Hinweise zu den Sprechenden sowie Absätze, die den reinen Dialog einführen, ankündigen, moderieren und beenden.
Geschichten können auch ohne Dialoge erzählt werden, natürlich entscheidet jeder Schriftsteller, jede Autorin selbst, in welcher Form er und sie die Texte gestaltet. Jedoch gibt es gute Gründe dafür, einen Dialog in erzählenden Texten einzubauen.
Welche Aufgabe hat der Dialog in einer Erzählung?
- Auflockerung der Erzählstruktur
- Die Dialogführenden zeigen sich unmittelbar, werden zum Leben erweckt und selbst sichtbar, nicht nur beschrieben: sie können durch eigenes, persönliches Vokabular auftreten, Streitgespräche geschehen im Schlagabtausch und das Erzähltempo steigert sich, jegliche Distanz geht verloren.
- Spannungsaufbau durch direkte Sprache, Rede und Gegenrede, Austausch von Argumenten
- Konflikte werden lebendig dargestellt und nicht lediglich nur beschrieben.
Welche Fehler du beim Dialogschreiben vermeiden solltest
Fehler Nr. 1: Wiederholungen
In einen Dialog gehören nur Informationen, die der Lesende noch nicht kennt. Jegliches Wiederholen von bereits vorhandenen Informationen langweilt und lässt die Leserin denken: „Das weiß ich doch schon!“
Beispiel einer Szene in der Autowerkstatt: Kunde: „Hallo, ich habe den Wagen letzte Woche bei Ihnen gekauft und heute macht er so seltsame Geräusche“, eröffnet der Kunde das Gespräch, kaum dass er aus dem Auto gestiegen ist. „Immer mit der Ruhe, Sie sind ja gerade erst angekommen. Was für Geräusche meinen Sie denn? Autos machen vielfache Geräusche, das kann ein Schleifen sein, Klackern, Tackern, Tockern oder Pfeiffen“ , erläutert der Monteur die Vielzahl an Ursachen. „Ich kann das Geräusch leider nicht genau beschreiben, aber der Verkäufer hatte letzte Woche versichert, dass trotz der 16 Jahre, die das Auto alt ist, keine Bedenken bestünden“, insistiert der Kunde mit recht forderndem Gesichtsausdruck.
„Ein 16 Jahre altes Auto kann jederzeit Geräusche verursachen, die aufgrund des Verschleißes entstehen können. Eine Probefahrt gäbe womöglich einen ersten Hinweis?“, schlägt der Monteur vor und versucht den Kunden zu beruhigen. „Das ist eine gute Idee, lassen Sie uns eine Probefahrt machen. Haben Sie jetzt direkt Zeit?“ Der Monteur schüttelt den Kopf und zeigt im Büro auf den vollen Terminkalender. „Jetzt direkt habe ich keine Zeit, könnten Sie für die Probefahrt heute Nachmittag noch einmal herkommen?“, schlägt er vermittelnd vor. „Aber das Auto macht Geräusche, ich traue mich nicht mehr, damit zu fahren und ich wohne 20 Kilometer entfernt“, gibt der Kunde versagt zu.
Wiederholungen können unterschiedlichster Art sein: reiner Inhalt, Redeverben und beschreibende Ergänzungen senken das Erzähltempo und verursachen Langeweile und wirken unrealistisch.
Fehler Nr.2: Lange Monologe
Szenen, in denen nur einer der handelnden Personen spricht und das in großem Umfang, z. B. bei einem Vortrag, sollten nicht in Form eines Dialogs formuliert werden. Wenn sich die wörtliche Rede eines Einzelnen ohne Unterbrechung über mehrere Absätze hinzieht, geht Spannung verloren. Besser ist, den reinen Informationsgehalt in mehreren Teilen zu transportieren oder vom Dialog in eine andere Erzählperspektive zu wechseln. Was die Erzählperspektive ist, habe ich bereits in einem früheren Blogartikel erklärt.
Fehler Nr. 3: Fehlende Authentizität
Ein Dialog muss echt klingen, wie im wahren Leben. Umständliche Ausdrucksweise, nicht flüssiger Sprachstil, geschwollene Formulierungen: all das lässt den Leser die Sprechenden als nicht authentisch erleben.
Beispiel einer Szene am Frühstückstisch: er liest Zeitung, als sie sich zu ihm an den Tisch setzt: „Liebling, ich freue mich, mit dir zu frühstücken. Könntest du bitte die Zeitung weglegen?“ „Mmmh.“ Sie nimmt ein Brötchen aus dem Korb und legt es ihm aufgeschnitten auf den Teller. „Schau doch, hier habe ich dir schon mal dein Brötchen aufgeschnitten, möchtest du einen Kaffee?“ „Wie bitte? Oh, entschuldige, mein Schatz, ich war abgelenkt. Dieser Artikel hier ist einfach zu interessant!“ „Ach, Liebling, das verstehe ich doch. Worum geht es denn?“ ….
In diesem Dialog wirkt nichts echt und authentisch. Eher wie ein Puppenspiel für Kinder. Solch eine Szenengestaltung wird auch Talking Heads genannt, sie lässt die Figuren im Raum hängen, ohne realistischen Bezug.
Fehler Nr. 4: Informationsüberschuss
Der Dialog wird lediglich dafür in den Text eingebaut, um den Leser mit Informationen zu versorgen. Die Figuren geben in ihrem Gespräch nichts von sich preis, sondern schieben sich lediglich Fakten hin und her. Diese Art von Dialog ist vollkommen überflüssig, sollte besser in reinen Erzähltext umgewandelt werden.
Beispiel der obigen Szene am Frühstückstisch: „Hier in der Zeitung steht, dass übermorgen in unserem Viertel eine Fliegerbombe entschärft wird.“ Sie schaut ihn an und antwortet: „Okay, was müssen wir vorbereiten?“ Er liest noch einmal nach: „Am Abend sollen wir eine Tasche packen und uns für die Nacht in der Turnhalle der Grundschule einfinden.“ Sie nickt und fragt: „Was genau müssen wir einpacken?“ Er erklärt: „Nur das Nötigste für die Nacht und den kommenden Tag.“ „Und wie lange wird das insgesamt dauern?“, fragt sie nach. …
Diese Form des Informationstransfers innerhalb eines Dialogs nennt sich auch Infodumping und sollte unbedingt vermieden werden. Die Figuren dienen lediglich als Platzhalter bzw. Sprechblasen-Figur.
Fehler Nr. 5: Fehlende Stimmung
Figuren, die sich unterhalten, sollen Lebendigkeit ausdrücken. Das ist die Intention eines Dialogs. Wird durch das im Gespräch die situationsbezogene Stimmung nicht mitgeliefert, geht der Dialog fehl. Sprechende haben immer Gefühle, drücken ihre Gedanken aus. Das geht auf zweierlei Weise: durch ihr VERHALTEN oder durch ihre WORTE. Die Stimmung, die unter dem rein Gesagten liegt, nennt sich Subtext. Fehlt dieser, kippt der Dialog ins Beschreibende, wird nicht GELEBT und nimmt dem Leser die Spannung, sie selbst zu fühlen.
Beispiel an obiger Szene am Frühstückstisch: „Schatz, ich lese gerade etwas Aufregendes. In der Zeitung steht, dass übermorgen in unserem Viertel eine Fliegerbombe entschärft wird!“ Sie schaut ihn an und antwortet: „Okay, das erschreckt mich jetzt auch. Was müssen wir vorbereiten?“ Er liest noch einmal nach: „Am Abend sollen wir eine Tasche packen und uns für die Nacht in der Turnhalle der Grundschule einfinden. Klingt für mich nach guter Organisation.“ Sie nickt und fragt: „Ja, mich beruhigt das tatsächlich, ich fühle mich damit recht sicher. Was genau müssen wir einpacken?“ Er erklärt: „Nur das Nötigste für die Nacht und den kommenden Tag. Hauptsache, wir frieren dort nicht.“ „Ach, mein Schatz, ich wärme dich, ich weiß ja, wie sehr du das magst. Steht dort auch, wie lange das insgesamt dauern wird?“, fragt sie nach. …
Fehler Nr. 6: Die Erzählung wird durch den Dialog nicht vorangetrieben.
Jedes Textelement, jede Szene in einer Geschichte soll die eigentliche Erzählung vorantreiben. Neue Informationen werden formuliert, etwas passiert und die Spannung wird gehalten oder sogar noch erhöht. Auch ein Dialog hat diese Funktion! Wenn er also lediglich als Füllelement eingefügt wird, keine neuen Informationen bereit hält und die Figuren in keinster Weise weiterentwickelt, ist er überflüssig und gehört gestrichen.
Meine zehn Schreibtipps: Wie wird ein Dialog ein guter Dialog?
Schreibtipp Dialog Nr. 1: Wähle die richtige Zeitform.
Der Dialog findet in der Erzählung, egal, in welcher Erzählzeit sie eigentlich stattfindet, in der Gegenwart statt. Daher sollte im Dialog stets die Zeitform gewählt werden, die authentisch und im normalen Umgang miteinander benutzt wird.
Selbst wenn im Dialog von Vergangenem gesprochen wird, darf das gern im Präsens oder Perfekt getan werden, zumindest in weniger komplizierter Zeitform als z. B. Plusquamperfekt oder Konditional. Auch Konjunktiv und Infinitiv scheiden in der wörtlichen Rede besser aus. Zumindest, wenn die Dialogführenden nicht im hochakademischen Bereich angesiedelt sind. Auch hier gilt: Je nach Hintergrund und Sozialisation der Protagonisten muss deren Rede zu ihrer Persönlichkeit passen!
Beispiel: „Hallo Martin. Ich grüße dich! Was hast du gestern gemacht?“ „Hei Dora, danke der Nachfrage. Ich bin gestern im Theater gewesen. Dort wurde die Neuinszenierung von Hamlet gezeigt. Ich erlebte die Aufführung als sehr ausgewogen.“ „Das klingt super. Wie viele Vorführungen sind denn noch geplant?“ „Das weiß ich nicht so genau. Solltest du selbst noch einmal hingehen wollen, wäre ich nicht abgeneigt, dich zu begleiten. Andere Gäste jedenfalls sagten mir hinterher, ihnen sei es mit der Premiere genauso ergangen.“
Dieser Dialog ist grammatikalisch korrekt, jedoch „lebt“ er nicht, sondern liest sich sehr nachgestellt. Besser wäre: „Hei Martin, was machst du so?“ „Hi Dora, grüß dich. War gestern im Theater, kann die Neuinszenierung von Hamlet nur empfehlen!“ „Das klingt super, wie oft wird der noch aufgeführt?“ „Keine Ahnung, aber ich begleite dich gern, wenn du magst. Die anderen Gäste waren jedenfalls ebenfalls begeistert.“
Schreibtipp Dialog Nr. 2: Geh sparsam mit Adverbien um.
Adverbien sind Wörter, die den Umstand näher erklären, z. B. „vorwurfsvoll“, „zögernd“, „ängstlich“, „verunsichert“. Diese Wörter gehören in reinen Fließtext als Erläuterungen, nicht jedoch in einen Dialog. Im Dialog werden ja die Persönlichkeiten selbst lebendig durch das, WAS sie sagen. Dieser Ausdruck muss vom Schriftsteller so präzise formuliert werden, dass keine erklärenden Worte mehr nötig sind.
Beispiele für überflüssige Adverbien (sie sind fett notiert):
- „Boah, du gehst mir echt auf´n Geist!“, rief sie genervt.
- „Bitte, bitte verlass mich nicht!“, bat sie flehentlich und warf sich ihm vor die Füße.
- „Danke dir, das ist eine wirklich schöne Überraschung!“, strahlte sie ihn dankbar und überrascht an.
- „Kann mir bitte mal jemand diese Formel erklären?“, bat der Student mit hilflosem Unterton in der Stimme.
- „So ein Mist! Ich hab mich ausgesperrt! Kannst du heute früher Feierabend machen?“, tönte ihre Stimme verzweifelt aus seinem Handy in seinem Ohr.
Mach einfach selbst den Test: Bist du nicht sicher, was überflüssig ist und was nicht, streiche das entsprechende Wort oder den Zusatz und schau, ob anschließend eine Information fehlt. Wenn nicht: weglassen!
Schreibtipp Dialog Nr. 3: Verwende nur passende Redeverben.
Die meist genutzten Redeverben sind Fragmente wie „sagte er“, „antwortete sie“, „fragte ich“. Auch aussagekräftigere Verben wie rufen, flüstern, flehen, seufzen, schreien, sticheln können angebracht sein. Vor allem wenn der Dialog über mehrere Absätze läuft, kann die bewußte Abwechslung einer gewissen Monotonie entgegenwirken.
Jedoch darf die Abwechslung nicht übertrieben werden, um den Sprechenden nicht die Aufmerksamkeit zu stehlen. Der Lesende überliest die Wiederholung von „sagen“, „antworten“ und „fragen“, sie wirkt daher in den meisten Fällen nicht störend.
Verben, die an sich keine REDE-Verben sind, wie z. B. „verschlingen“: „Du siehst großartig aus in diesem Kleid“, verschlang er sie mit seinen Augen förmlich. „Verschlingen“ ist an dieser Stelle die Erklärung der Art und Weise, wie er sie anschaut, jedoch kein Verb des Sprechens. Korrekt wäre: „Du siehst großartig aus in diesem Kleid“, sagte er und verschlang sie förmlich mit seinen Augen.
Schreibtipp Dialog Nr. 4: Zeige den Sprecherwechsel eindeutig an.
Durch die Nutzung von sogenannten Dialoganzeigern kann in vielen Fällen auf begleitende Einschübe verzichtet werden. Dialoganzeiger sind:
- Zeilenumbrüche: sie zeigen den Sprecherwechsel an und geben auch rein optisch durch mehr Weiß auf der Seite Raum, damit sich der Leser im Text besser orientieren kann.
- Begleitende Satzeinschübe können die Situation, wer spricht, verdeutlichen. Beispiel: „Vergiß es. Bevor dein Zimmer nicht aufgeräumt ist, brauchst du nicht runterkommen.“ Seine Mutter verließ ohne weiteren Kommentar den Raum.
Schreibtipp Dialog Nr. 5: Inszeniere den Dialog durch gutes Setting
Jeder Dialog ist die Handlung eingebettet, ist herausragender Teil einer bestimmten Szene. In einem Theater erschafft der Regisseur durch das Bühnenbild und die Schauspieler einen optischen Rahmen, in dem die Handlung in wörtlicher Rede und Gegenrede präsentiert wird. Als Autorin bist du in Personalunion Bühnenbildnerin, Rednerin und Lieferantin nötiger Hintergrundinformationen. Daher gehören diese Bestandteile auch in die Szene des Dialogs. Der Ort, der Umstand und die Handlung müssen im Dialog mit abgebildet werden, damit der den Konflikt, die Beziehungen und Stimmungen mit einbindet. Nur dadurch läuft die Handlung während des Dialogs weiter, gewinnt an Dynamik und liefert neue Informationen für den Leser.
Schreibtipp Dialog Nr. 6: Verpacke die Informationen geschickt.
Die Kunst des Dialog-Schreibens besteht darin, den Leser geschickt mit Informationen zu versorgen, ohne ihm dabei das Gefühl zu vermitteln, er würde belehrt oder unterrichtet werden. Wem als Schriftsteller gelingt, die Informationen, die nur für den Leser bestimmt sind, unauffällig zu formulieren, hat das Prinzip verstanden.
Die Gesprächsinhalte sollten darauf beschränkt sein, Inhalte zu vermitteln, die dem Leser unbekannt sind. Allgemeinwissen gehört ebensowenig hinein (es sei denn, du schreibst ein Kinderbuch!) wie Sachverhalte, die bei den miteinander Sprechenden als bekannt vorausgesetzt werden können, z. B. Fußballspieler tauschen sich über ihr letztes Spiel aus und der Autor lässt in den Dialog regelerklärende Hinweise mit einfließen. Diese Informationen gehören dort nicht hin, denn die Spieler kennen die Regeln des Fußballs!
Beispiel: „Den haben wir es aber so richtig gezeigt! Vor allem beim Elfmeterschießen. Der Stürmer hat so dermaßen im Strafraum gefoult, da konnte der Schiedsrichter ja gar nicht anders, als uns den Elfmeter zu geben!“ Der letzte Satz ist eindeutig reine Hintergrundinformation, die als Allgemeinwissen gelten darf und daher überflüssig.
Schreibtipp Dialog Nr. 7: In der Überarbeitung gelingen Dialoge am Besten.
In einem früheren Artikel habe ich bereits über die Schritte vom Manuskript zur Veröffentlichung geschrieben. Jeder Text bedarf nach dem ersten Entwurf einer Überarbeitung. Bei dieser sollte die Konzentration auch darauf abzielen, an welcher Stelle Dialoge ausgefeilt oder ergänzt werden sollten. Die Handlung muss klar und schlüssig stehen, bevor der Text durch (weitere) Dialoge aufgelockert und lebendiger gestaltet wird.
Grundlage jedes Dialogs, ich wiederhole mich an dieser Stelle gern, ist der Subtext, der die Beziehung, Situation und Stimmungslage der Sprechenden zueinander untermauert. Diesen herauszuarbeiten im Dialog, ohne überflüssig erklärend zu formulieren, gelingt erst, wenn die vordergründige Erzählung in sich stimmig und (schon) spannend ist.
Schreibtipp Nr. 8: Erst durch einen Konflikt wird er interessant.
Ein den Dialog-Führenden unterschwellig begleitender Konflikt ist Ursprung besonderer Spannung. Den Konflikt nicht auszuformulieren, sondern durch die Rede und Gegenrede lediglich anzudeuten, als Geheimnis zu verpacken, erzeugt Spannung. Der Leser wird eingeladen, zwischen den Zeilen zu lesen und ein gewisses Machtgefälle zu erahnen. Dadurch werden eigene Interpretationen ermöglicht, die die Leserin letztendlich noch stärker in die Geschichte ziehen.
Beispiel: „Wollen wir heute ins Freibad fahren?“ „Ach, Mama, ich hab doch meinen Badeanzug verloren.“ „Dann nimmst du eben den Bikini mit, der passt dir noch.“ „Dann glotzen die Jungs mich wieder so an wie gestern, nein, danke!“ „Aber Miriam, du bist so ein sportlich-hübsches Mädchen, du brauchst dich doch nicht zu verstecken. Ich wünschte, du wärst etwas selbstbewußter.“ „Lass mich einfach in Ruhe! Ich will nicht, basta!“
Der diesem Gespräch zugrundeliegende Konflikt zwischen Mutter und Tochter ist klar das wachsende Körperbewußtsein von Miriam. Sie ist mitten in der Pubertät und fühlt sich unwohl. Die Mutter bringt dafür leider nicht das Feingefühl auf. Zudem baut sich zum Ende hin eine gewisse Dominanz der Tochter gegenüber der Mutter auf. Dieser Hierarchiewechsel im Verlauf des Dialogs eröffnet ein mögliches neues Spannungsfeld.
Schreibtipp Dialog Nr. 9: Beantworte die folgenden Fragen für jeden Dialog.
Bist du zufrieden mit deinem Text und mit deinen Dialogen, gehe noch einmal jeden einzelnen durch. Beantworte dabei die folgenden Fragen und erst wenn du mindestens eine dieser drei Fragen mit JA beantworten kannst, ist der Dialog gut genug.
- Findet sich im Dialog ein Konflikt, egal ob offen ausgesprochen oder nur unterschwellig angedeutet?
- Ist im Verlauf des Dialogs eine Veränderung zwischen den Sprechenden zu erkennen, nimmt die Dynamik der Handlung zu, kehren sich Verantwortlichkeiten um oder entsteht etwas vollkommen Neues?
- Stehen sich die miteinander Sprechenden nicht gleichberechtigt gegenüber, sondern ist ein Machtgefälle vorhanden (diese Hierarchie kann offen liegen oder nur versteckt vorhanden sein)?
Schreibtipp Dialog Nr. 10: Er besticht durch seine Essenz.
Für jeden Dialog gilt: Schreibe ihn nur so ausführlich wie unbedingt nötig. Vermeide jegliche Art von Wiederholung, reduziere so weit mit möglich. Ein Dialog besticht durch seine Essenz und nicht durch lang ausholendes Geplauder. Im normalen Leben wird oft genug oberflächlich miteinander gesprochen.
Dieses Verhalten will kein Leser in einem Buch oder Text verfolgen müssen. Daher: achte auf die wirklich wichtige Aussage. Streiche notfalls doppelnde Passagen aus dem Dialog und konzentriere dich auf den essentiellen Kern. Die gilt insbesondere auch für Gestik, Mimik, Gefühle und Gedanken sowie Handlungs- und Ortsbeschreibungen. Diese Punkte erkläre ich gern noch durch entsprechende folgende Beispiele.
Beispiel Gestik
- Sie raufte sich verzweifelt das Haar, umschloß mit beiden Händen ihren Kopf und stöhnte: „Ich weiß nicht, wie ich das alles heute noch schaffen soll!“
- Besser: Sie raufte sich das Haar und stöhnte: „Ich weiß nicht, wie ich das alles heute noch schaffen soll!“
- Konsequent reduziert: „Ich weiß nicht, wie ich das alles heute noch schaffen soll!“
Beispiel Mimik
- Sie erschrak und wich zurück, zeigte mit ausgestrecktem Finger auf die Kreuzspinne in der Kellerecke und schrie mit verkniffenem Gesicht: „Iiih, mach die weg! Ich hasse Spinnen!“
- Besser: Sie erschrak und wich zurück, zeigte auf die Kreuzspinne in der Kellerecke und forderte: „Iiih, mach die weg!“
- Konsequent reduziert: Sie zeigte auf die Kreuzspinne in der Kellerecke: „Iiih, mach die weg!“
Beispiel Gefühle und Gedanken
- Der gestrige Tag ging ihm nicht aus dem Kopf. Das Unfallgeschehen wiederholte sich in konsequenter Dauerschleife. Wie aus dem Nichts das Reh auf die Fahrbahn lief, er sich erschrak, das Steuer verriss und der Wagen ins Schleudern geriet. „Ich hätte das letzte Glas Wein nicht mehr trinken dürfen. Dann wäre das Auto jetzt kein Totalschaden“, resümierte er immer und immer wieder. Voller Schuldgefühle war er gefangen in seiner Ohnmacht, die Ereignisse von gestern ungeschehen zu machen. Mit den Händen fuhr er über sein Sofa, bis er sein Handy spürte. Er würde die Autowerkstatt anrufen müssen.
- Besser: Der gestrige Unfall ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. „Ich hätte das letzte Glas Wein nicht mehr trinken dürfen“, gestand er sich ein. „Reh tot, Auto Totalschaden“, diese Erkenntnis traf ihn mit voller Ohnmacht. Er zückte sein Handy und wählte die Nummer der Autowerkstatt.
- Konsequent reduziert: Er dachte an den Wild-Unfall gestern und gestand sich ein: „Ich hätte das letzte Glas Wein nicht mehr trinken dürfen“, und wählte die Nummer der Autowerkstatt.
Beispiel Handlungsbeschreibung
- Sie lehnte sich entspannt zurück, ließ ihren Kopf in die weichen Kissen in ihrem Rücken sinken. Genüsslich streckte sie die Beine aus und spürte seinen Griff. Mit kräftigen Fingerstrichen massierte er ihr den harten Arbeitstag aus ihren Füßen. „Du hast so weiche Haut, selbst an den Fußsohlen. Wie machst du das nur, obwohl du den ganzen Tag stehen musst?“, raunte er ihr fragend zu. „Du bist es, der mir das beschert. Nur durch deine Massage mit dem wunderbaren Öl werden meine Anspannung und Belastung gelindert. Ich danke dir so sehr dafür!“, lächelte sie ihn dankbar an.
- Besser: Sie lehnte sich entspannt zurück, ließ ihren Kopf in die weichen Kissen sinken. Sie streckte die Beine aus und spürte seinen Griff. Mit kräftigen Fingerstrichen massierte er ihr den harten Arbeitstag aus den Füßen. „Du hast so weiche Haut, selbst an den Fußsohlen. Wie machst du das nur?“, fragte er. „Deine Massage und das Öl wirken Wunder“, lächelte sie ihn an.
Beispiel Ortsbeschreibung
- Als sie um die Wegbiegung kam, erblickte sie Unerwartetes. Ein dichter Wald, undurchdringlich bis zum Rand, verbarg alles, was dahinter liegen könnte. Ein leichter Windzug trug Geräusche an ihr Ohr. Fernes Donnergrollen? „Seltsam, das hätte ich hier nun wirklich nicht erwartet“, dachte sie und holte die Wanderkarte aus ihrem Rucksack. „Wo kommt nur der Wald auf einmal her? Ich müsste doch freies Feld vor mir haben“, überlegte sie und verinnerlichte noch einmal den bisher gegangenen Weg. „Oje, und jetzt zieht auch noch ein Gewitter auf! Ich scheine vom Pech verfolgt: erst verlaufe ich mich und werde dann auch noch naß.“
- Besser: Hinter der Wegbiegung erblickte sie Unerwartetes. Wald, undurchdringlich bis zum Rand, verbarg alles dahinter. Ein leichter Windzug trug fernes Donnergrollen an ihr Ohr. „Der Wanderkarte nach müsste ich doch freies Feld vor mir haben“, überlegte sie. „Ich scheine vom Pech verfolgt: erst verlaufe ich mich und werde jetzt auch noch naß.“
Habe ich noch etwas Wichtiges vergessen? Sehr gern erweitere ich meinen Artikel um weitere Punkte, denn auch für mich gilt: Überarbeitung steigert die textliche Qualität:-)
Für den Moment jedoch hoffe ich, du hast Hilfreiches für dein eigenes Dialog-Schreiben mitnehmen können und freue mich über eine Rückmeldung. Gern direkt hier im Blog als Kommentar (scrolle dafür einfach unter die Anzeige meiner letzten sechs Beiträge) oder schreibe mir eine E-Mail.
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Mit kreativen Grüßen,
Gabi.
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