Ich bin ein Fan von moderner Lyrik. Freie Textformen und Ausdrucksarten öffnen die maximale Spanne für eigene Kreativität. Doch auch die klassischen Gedichtarten haben ihren Charme! Heute möchte ich eine davon, das Sonett, näher vorstellen: es folgt zwar einer klassischen Vers- und Reimstruktur, inhaltlich lassen die Zeilen jedoch großen Spielraum. Vor allem die Möglichkeit, trotz strenger Struktur eigene Meinungen positioniert zu formulieren, macht das Sonett zu einer meiner bevorzugten Lyrik-Form. Meine folgende Schritt-für-Schritt-Erklärung bietet dir dafür, so hoffe ich, einen leichten Zugang. Ich bin sicher, auch dir gelingt mit meiner Anleitung dein erstes Sonett 🙂
Die Herkunft des Sonetts
Das Sonett stammt ursprünglich aus der dem Italien des 13. Jahrhunderts, doch auch Zentral- und Nordeuropäer:innen erfreuten sich nach einiger Zeit an dem sogenannten „kleinen Tonstück“. Der Begriff Sonett geht auf das lateinische Verb „sonare“ zurück, das „klingen“ bedeutet und aus dem sich auch der italienische Begriff „sonetto“ entwickelte. Deshalb wird das Sonett auch als Kling- oder Klanggedicht bezeichnet.
Die Merkmale eines Sonetts
Einleitung zu meiner Anleitung sei dir bewusst, dass für die Gedichtform Sonett eine streng geregelte Strophen- und Reimform gilt.
Das Sonett besteht aus insgesamt Es besteht aus insgesamt 14 Zeilen mit 4 Strophen:
- Strophe 1 und 2: je vier Zeilen (Quartett)
- Strophe 3 und 4: je drei Zeilen (Terzett)
Hinzu kommt dieses feste Reimschema:
- Strophe 1 und 2 haben einen umrahmenden Reim: abba
- Strophe 3 und 4 zeichnen sich durch einen wechselnden Reim aus, der unterschiedlich sein kann:
Eine dieser drei Varianten kann gewählt werden:
- ccd eed
- cde cde
- cdc dcd
Die Anzahl der Silben und Hebungen (=betonte Silbe) und Senkungen (=unbetonte Silbe) in einem Vers variieren.
Die einzelnen Strophen folgen einer Dramaturgie:
- Strophe: Behauptung
- Strophe: Widerlegung
- Strophe: Ergebnis der Gegenüberstellung
- Strophe: Fazit
Du hast nun hoffentlich Lust bekommen, dich der Herausforderung dieser besonderen Gedichtform zu stellen. Hier ist meine kurze, leicht nach zu vollziehbare Anleitung: in vier Schritten zum Sonett 🙂
Schritt EINS: worüber willst du schreiben?
Das Sonett eignet sich für die kontroverse Auseinandersetzung mit einem Thema, das dir wichtig ist. Schritt eins meiner Anleitung für den Weg zum Sonett dient daher erst einmal der Gedankensammlung. dazu empfehle ich als kurze Gedankenreise das Schreiben eines Dreiminutentextes. Was ein Dreiminutentext ist, habe ich an anderer Stelle bereits auf meinem Blog erklärt.
In der Folge liefere ich dir zu jedem Schritt ein von mir geschriebenes Beispiel:
Beispiel: Dreiminutentext
Zufall oder Schicksal
Ich glaube nicht an Zufall. Ich meine, durch meine Einstellung und mein Handeln, meinen eindeutigen Willen und Tun, kann ich meinen Weg bestimmen. Ich muss mir klar darüber sein, was ich will, wohin ich will, was ich erreichen möchte, dieses dann ins Visier nehmen und meine nächsten Schritte planen. Indem ich aktiv meine Vorstellung nutze, visualisiere ich mein Ergebnis. Wohin ich schaue, da komme ich auch an. Einfach, weil meine Wahrnehmung im bewussten und unbewussten Zustand genau die Chancen und Möglichkeiten meiner Umgebung schärft. Meine Sinne nehmen die Möglichkeiten auf und transportieren sie in meine bewussten Handlungen. Manche nennen das selbsterfüllende Prophezeiung und die hat nichts Zufälliges oder Schicksalhaftes an sich, sondern einzig und allein meine Handlung als Reaktion auf Möglichkeiten.
Schritt ZWEI: die inhaltliche Struktur des Sonetts
Aus deinem Dreiminutentext heraus formulierst du jetzt zunächst die Unterthemen deiner künftigen Verse 1-4, damit die gewünschte Dramaturgie erkennbar wird: These – Gegendarstellung – Erkenntnis – Ergebnis
Anhand meines Themas finde ich diese Reihenfolge:
- Ich glaube nicht an Zufall oder Schicksal
- Mein Leben ist selbstbestimmt
- Ich bin selbstwirksam
- Meine Wünsche und Träume verwirklichen sich
Schritt DREI: die Formulierung der Verse
Nach diesen Grundideen baust du in Schritt drei meiner Anleitung für dein Sonett nun die vier Verse auf. Lass dich nicht entmutigen, wenn dir der eine oder andere Reim nicht auf Anhieb gelingt. Schreibe am einfachsten erst einmal pro Vers vier bzw. drei Zeilen. Vielleicht gelingt dir direkt der eine und andere passende Reim. Du kannst während der Entstehung Zeilen verschieben, auch Umstellungen innerhalb einer Zeile eröffnen dir oftmals neue Möglichkeiten.
Die Ausarbeitung eines Sonetts kann durchaus mehrere Stunden oder Tage dauern, je nachdem wie intensiv du dich damit beschäftigst. Kommst du einmal nicht weiter, leg deinen Entwurf zur Seite, schlaf einmal darüber oder gehe spazieren. Du wirst dich wundern, wie die Distanzierung oder Bewegung dein Unterbewusstsein aktiviert und dir für die weitere Bearbeitung neue Ideen findest.
Fehlt dir einmal ein Reimwort, bediene dich der Internetrecherche! Wir haben verschiedene Websites, die sich Reimendes anbieten, z. B. www.was-reimt-sich-auf.de oder die Reimemaschine. Übe keine falsche Zurückhaltung dabei, dir beim Reimen helfen zu lassen 🙂
Besonders hilfreich wird ganz sicher sein, wenn du dir zur Hilfe das Reimschema am Beginn jeder Zeile notierst. Auch farbige Markierungen können beim Aufbau deines Sonetts hilfreich sein und die Reime und deren Wiederholung verdeutlichen:
Schritt VIER: der Feinschliff
Hast du alle vier Verse gedichtet, ist der letzte Schritt meiner Anleitung zum fertigen Sonett schnell gemacht. Lösche die Reim-Buchstaben am Anfang der Zeilen, formatiere deinen Text in gleicher Farbe und FERTIG ist dein Sonett!
Ich illustriere meist meine Gedichte mit einem Foto aus meinem umfangreichen Archiv.
Und jetzt bin ich natürlich neugierig: wie ist dir dein erster Versuch geglückt? Bist du zurechtgekommen mit meiner Anleitung? Da ich meine Schreibtipps ständig perfektioniere, freue ich mich sehr über deine Rückmeldung, gern lese ich auch dein Sonett 🙂
Mit kreativ-dichtenden Grüßen, Gabi.
Gabi Kremeskötter
Liebe, die durch Worte strahlt
Freie Rede – Schreibworkshops – Lektorat
Du hast Lust bekommen und möchtest mehr von mir lesen? Mein Blog umfasst viele Artikel rund um das Kreative Schreiben, auch persönliches und meine weiteren Themen. Hier sind die letzten sechs Beiträge, die ich veröffentlicht habe:
- Verwirkliche deine Traumhochzeit und wähle die freie Trauung
- Hallo Winter: meine Liste für das erste Quartal 2025
- Mein 12von12 im Januar 2025: Moselwinter
- Mein Motto für 2025: KREativ, kraftvoll und kompetent
- Juli Norden: Top10 Dezember 2024
- Monatsrückblick Dezember 2024: Adventskalender & Weihnachten
Das ist eine tolle Anleitung. Ich habe mich beim Lesen gefragt, ob ein Sonett auch als Versform für Lieder verwendet wurde/ wird. Das würde ja nahe liegen, wo es auch als Klang-Gedicht bezeichnet wird.
Liebe Grüße von Britta ( für die Gedichte jeglicher Art absolutes Neuland wären)
Hallo Britta,
na, das freut mich aber 🙂
Da das Sonett schon sehr alt ist, mag deine Vermutung stimmen, ich habe das allerdings bisher noch nicht recherchiert 😉
Wage das Betreten des Neulandes! Bist doch gut zu Wasser unterwegs und anlanden gewohnt, zwinker.
Herzliche Grüße
Gabi
Sehr tolle Anleitung! Danke. Ich habe es ausprobiert und hatte viel Spaß dabei. Habe aber bestimmt eine Sonett-Regel gebrochen, denn ohne Kommas ging es nicht. Die Reime-Maschine ist der Hammer! Mein Ergebnis findest du in meinem Monatsrückblick :-). Liebe Grüße Sylvia
Liebe Sylvia,
danke für deinen Einblick in deinen Monatsrückblick April, besonders freue ich mich über deinen lyrischen Exkurs in Sachen Sonett 🙂 Wie treffend du das Auf und Ab der Temperaturen und deiner Empfindungen dabei eingefangen hast. Wunderbar. Gelungen!
Experimentierfreudig mit unserer Sprache umgehen ist mir ein großes Anliegen, sehr motivierend für mich, dass meine Tipps und Tricks eine Reaktion erfahren, DANKE DAFÜR!
Ja, das mit der TCS-Community hast du wie ich empfunden: auch wenn viele sich (noch) nicht persönlich kennen, wir sind Gleichgesinnte im Geiste und das allein verbindet.
In diesem Sinne:
wir lesen uns!
Gruß
Gabi