Was ist ein Essay?

Veröffentlicht am Kategorisiert in Kreatives Schreiben
Eine in eine Kladde schreibende Hand mit Kugelschreiber

Ich bin sicher, jede von uns hat schon einmal im Leben einen Essay geschrieben. Vielleicht nicht unter diesem Namen, in meiner Schulzeit hieß er „Erörterung“. Ein Essay ist die persönliche Annäherung an ein ganz bestimmtes Thema. Das Wort Essay kommt aus dem Französischen: essayer quelque chose – etwas versuchen. Der Essay, manche sagen auch „das“ Essay, ist somit im Groben gesagt, ein Versuch über etwas. Ein textlicher Versuch mit ganz persönlicher Färbung. Der eigenen Meinung zu einem Sachverhalt, einem Ort, einer Person, einer Einstellung, einer Farbe, einem Gefühl. Du siehst, die Thematik könnte kaum vielfältiger sein. Alles kann beschrieben werden und selbst wenn mehrere Personen einen Essay zum gleichen Thema schreiben, werden vollkommen unterschiedliche Texte und Meinungen entstehen. So persönlich wie eben das eigene Denken und Empfinden jeder einzelnen schreibenden Person.

Essays der besonderen Art: David Foster Wallace

In meinem Monatsrückblick März 2023 bin ich bereits etwas näher auf das Thema Essay eingegangen: am Beispiel des Autoren David Foster Wallace, einem bekannten amerikanischen Essayisten, dessen Auswahl an Texten ich bei der Lesung am 4.3.22 in Köln anlässlich der lit.Cologne23 zum ersten Mal hörte.

Die Herangehensweise von Wallace entspricht meiner bisherigen Auffassung, jedoch hat er keine rein analysierenden Texte geschrieben. Seine Essays sind dank seiner besonderen Beobachtungsgabe auch humoristisch ausgestattet. Sie bergen Anekdoten, Schmunzeleien, Sarkasmus und Ironie. Nie jedoch der verletzenden Art, sondern seine Anmerkungen lockern auf und dienen der tiefergehenden Erläuterung. Lassen Bilder im Kopf entstehen, die auch über das Ende des Lesens verbleiben, eine eigene Erinnerung und Auseinandersetzung mit dem Thema befördern.

Im Roman „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“ zum Beispiel zählt er auf, was er auf der Auftrags-Kreuzfahrt sieht (klare Leseempfehlung meinerseits übrigens!). Denn dafür wurde er engagiert: eine Woche an der Kreuzfahrt im Pazifik teilnehmen und aufschreiben, was er sieht und erlebt. Und so zählt er auf, was er sieht: „Ich habe gesehen… und habe gesehen… auch habe ich gesehen…“ Wiederholungen als Stilmittel eingesetzt, steigern die Neugiere bei mir, was noch alles kommt, was er noch alles gesehen und erlebt hat. Und wie er beobachtet! Jedes vielleicht selbstverständliche Detail spricht er an, führt es aus, zeigt seine Alltäglichkeit und lässt es dadurch bedeutender werden. Und mal ehrlich: jede Kleinigkeit hat ja auch seinen ganz eigenen, durchaus großen Wert!

Was also sind die Merkmale eines Essays?

Die hier notierten Punkte sind meine ganz persönlichen Merkmale eines Essays, wie ich ihn im Kreativen Schreiben definiere. Der Essay ist überaus vielfältig, jede Kolumne ist letzten Endes ein Essay. Ich möchte meine Liste daher lediglich als Anregung, keinesfalls als in Stein gemeißelte unumstößliche Definition verstanden wissen.

  • Abhandlung (Versuch) über EIN bestimmtes Thema, welches Thema das ist, steht der Autorin, dem Autor frei.
  • Alle Aspekte, die wichtig und erwähnenswert scheinen, werden textlich beleuchtet und abgewogen.
  • Recherce und Analyse gehen dem Schreiben eines Essays voran, auch wenn sich der Essay im Gegensatz zu einer wissenschaftlichen Facharbeit weniger den Fakten als der eigenen Argumentationskette widmet.
  • Der Essay ist eine anerkannte journalistische Textform, die Sachthemen persönlich beleuchtet, er spiegelt die persönliche Deutung des Themas wieder.
  • Für und Wider werden herausgearbeitet, Vor- und Nachteile zunächst wertfrei gegenübergestellt.
  • Auch Randthemen können gestreift werden, wenn sie den eigentlichen Kernbegriff weiterführend erläutern.
  • Persönliche Empfindungen, Gefühle, Meinungen, Denkansätze sind ausdrücklich Inhalt eines Essays.
  • Als Erzählform eignet sich die Ich-Perspektive, sowie auch der personale Erzähler.
  • Die Textlänge ist nicht vorgegeben, so kurz oder lang, wie nötig. Ein Essay kann aus zwei Seiten bestehen oder den Umfang eines Romans erreichen.
  • Details sind wichtig, denn die komplexe Auseinandersetzung mit dem Thema ist Grundidee eines Essay.
  • Am Ende steht die persönliche Schlussfolgerung des Autors: zu welchem Ergebnis kommt er nach Betrachtung aller Fakten, aller Gedanken, aller Gefühle?

Wie schreibe ich einen Essay?

Diese Textform zu bedienen, ist nicht schwer:

  • Einleitung: In der Einleitung gibst du eine grobe Übersicht zu seinem Thema, wenn du zwei Dinge miteinander vergleichen willst, schilderst du sie kurz. Lass die Leserin von Anfang an, deine Absicht erkennen, was du selbst dir von deinem Thema versprichst bzw. wie du z. B. überhaupt darauf gekommen bist, darüber zu schreiben.
  • Hauptteil: Bau deinen Hauptteil gut strukturiert auf, nenne einen Punkt nach dem anderen und erläutere sie. Zeige die Vielfalt deines Themas durch unterschiedliche Betrachtungsweisen, bleibe dabei persönlich und lasse den Leser an deinen Überlegungen teilhaben. Argumentiere, finde neue Ansätze und ordne sei ein. Der Hauptteil ist der umfassenste Textteil eines Essays. In ihm zeigst du alle Vor- und Nachteile, Unterschiede und Facetten deines Themas.
  • Schlußfolgerung: In deiner Schlußfolgerung findest du deine finale Meinung. Wie du zu deinem Thema stehst und warum. Hier kannst du die wichtigsten Argumente noch einmal KURZ zusammenfassen, damit die Leserin deinen Weg quasi verfolgen kann.

Lesenswert in Sachen Essay:

Na, bist du neugierig gewordnen auf diese Textform? Dann ran an den Stift oder deine Tastatur, versuche dich daran und keine Sorge: beim Essay gibt es kein richtig oder falsch, denn DEINE Meinung und Haltung stehen im Vordergrund. Und die darfst du gern mutig und selbstbewußt vertreten 🙂 Sehr gern lese ich ihn, wenn du magst. 🙂

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Wir lesen uns! Herzliche Grüße,

Deine Gabi

7 Kommentare

  1. Liebe Gabi,
    es lohnt sich tatsächlich, auch in Deinen „älteren“ Blogbeiträgen zu stöbern!
    „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“! Nein, selbstverständlich nicht!
    Danke Dir für den Hinweis auf eben diesen Roman! Ich kannte David Foster Wallace nicht und bin begeistert nach meiner Recherche. Was für ein wundervoller Essayist er ist! 🙂
    Seine Texte machen mir Lust auf’s Schreiben.

    HerzDank und Grüße
    Rosemarie Schmitt

    1. Liebe Rosemarie,
      freue mich über deine Rückmeldung und ja, dafür sind die Beiträge da: immer fleißig stöbern:-)
      Sende mir gern auch deine Lesetipps!
      Allzeit kreative Schreibideen dir,
      liebe Grüße
      Gabi

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