Kennst du das Gefühl, wenn ein einzelner Satz mehr sagt als drei Seiten Tagebuch? Willkommen in der Welt der Aphorismen! In meinen Kursen zum KREativen Schreiben arbeite ich sehr gerne mit genau solchen Sätzen. Sie sind wie Gedankenblitze: klar, knapp und manchmal schmerzhaft ehrlich. Vielleicht hast du auch schon mal versucht, deine eigene Haltung, eine Beobachtung oder ein Lebensgefühl auf den Punkt zu bringen? Dann bist du dem Aphorismus schon sehr nah gekommen. In diesem Artikel zeige ich dir, was genau einen Aphorismus ausmacht und warum er ein wertvolles Werkzeug für dein Schreiben sein kann.
Was ist ein Aphorismus?
Der Begriff Aphorismus stammt aus dem Griechischen – aphorizein bedeutet „abgrenzen“ oder „definieren“. Und genau das tut ein Aphorismus: Er grenzt eine Erkenntnis so präzise ein, dass sie auf den Punkt gebracht wirkt. Dieser eine Satz – oder maximal zwei – drückt eine Wahrheit, eine Beobachtung oder einen inneren Widerspruch aus. Anders als ein Zitat ist der Aphorismus meist originär gedacht, und im Gegensatz zum Sprichwort ist er oft persönlicher, provozierender, sogar widerspenstig. In jedem Fall drückt er die klare, eigene Meinung der Verfasserin/des Verfassers aus.
Ein Aphorismus ist die letzte Konsequenz eines Gedankens.
Marie von Ebner-Eschenbach, Aphorismen, erstmals gesammelt 1880er Jahre, überliefert in: Gesammelte Schriften (1893)
Was macht einen guten Aphorismus aus?
Ein guter Aphorismus bleibt hängen. Er ist knapp, aber nicht banal. Oft lebt er vom Spiel mit Gegensätzen, einer überraschenden Wendung oder einer spitzen Formulierung, die dich kurz innehalten lässt. Wichtig ist: Er regt zum eigenen Weiterdenken an. Auch wenn er kurz ist, öffnet er einen Raum – im besten Fall den für neue Perspektiven. Er wirkt wie ein Türspalt in einen größeren Text.
Es gibt keine ewigen Tatsachen, ebenso wenig wie es absolute Wahrheiten gibt.
Friedrich Nietzsche, nachgelassene Fragmente, 1885-1887
Warum eignet sich der Aphorismus fürs KREative Schreiben?
Das Schreiben eines Aphorismus ist immer wieder ein kleiner Zaubermoment: Er zwingt dich dazu, einen Gedanken zu destillieren, so wie ein Parfum aus einem ganzen Strauß Blüten gewonnen wird. Das trainiert dein Sprachgefühl, deine Haltung und deinen Mut zur Positionierung. Gleichzeitig kann ein Aphorismus auch eine Schatztruhe sein: Du kannst ihn zum Start eines Textes verwenden, ihn hinterfragen oder dich von ihm zu einer Geschichte inspirieren lassen.
Gedanken springen wie Flöhe, aber sie beißen nicht jeden.
Stanislaw Jerzy Lec, Unfrisierte Gedanken (polnisch: Myśli nieuczesane), 1957, Lec war für seine bissigen Aphorismen bekannt.
Schreibimpuls für dich
Hier ist dein Mini-Impuls, den du jederzeit für dich oder mit anderen ausprobieren kannst:
Wähle ein Gefühl, das dich beschäftigt, z. B. Neid, Leichtigkeit, Erleichterung.
Oder ein Phänomen, das du oft beobachtest, z. B. Stille im Aufzug, Smalltalk, Menschen mit Handys.
Formuliere dazu einen Gedanken in maximal zwei Sätzen, der entweder widersprüchlich, überraschend oder poetisch ist. Lass dein Inneres durch eine kleine, sprachlich scharfe Linse schauen.
Dabei kannst du zunächst einfach aufschreiben, was dir einfällt, das können durchaus mehrere Sätze sein! Auch ein Dreiminutentext als Ausgangs“futter“ eignet sich dafür! Erst anschließend analysierst du und streichst alles weg, dass deine Kernaussage nur erklärt. Am Ende bleibt als Essenz dein Aphorismus übrig 🙂
Die beste Methode, einen Aphorismus zu verstrehen, ist, selbst einen zu schreiben.
… sagen Schreibtheoretiker:innen 😉
Und hier noch ein Beispiel von mir (meine künstlerischen Texte veröffentliche ich stets unter Pseudonym Juli Norden):

Fazit: Ein starker Satz für eine starke Stimme
Der Aphorismus ist keine bloße Stilform – er ist ein Statement. Und ein wunderbares Werkzeug, mit dem du dich selbst schärfen kannst. Ob als kreative Fingerübung oder als Kernaussage für einen größeren Text: Wenn du lernst, klar zu formulieren, wirst du gehört. Und vielleicht überraschst du dich dabei selbst, mit einem Satz, der bleibt.
Der Aphorismus ist die Miniaturform des Essays.
… sinngemäß, frei nach verschiedenen Schreibtheoretiker:innen 😉
Schicke mir deinen Aphorismus oder hinterlasse ihn weiter unten als Kommentar, damit teilst du ihn nicht nur mit mir 🙂
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KREative Grüße
Gabi

Gabi Kremeskötter
Liebe, die durch Worte strahlt
Freie Rede – Schreibworkshops – Lektorat
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Spontan:
Vorbei ist nicht drin, beim Schauen nicht und nicht beim Kommen.
Schönen Sonntag und Gruß, Gabi
Kajo
Wunderbar, lieber Kajo, dein Aphorismus!
Spontan ist immer gut 🙂
Lieben Dank für deinen Satz!
Gruß Gabi
Worte die gestrahlt haben – danke für diese INspiration. Hier ein Versuch eines Aphorismus: „Lesen mochte ich, Verstehen kam später – denn Geduld war mir einst zu langweilig.“
Liebe Carolin,
Danke für deinen Satz! Der gefällt mir sehr, sehr 🙂
Freue mich, dass ich dich inspirieren konnte,
herzlichst
Gabi