Was ist ein Pantun? Anleitung in 5 Schritten

Veröffentlicht am Kategorisiert in Kreatives Schreiben
Hand einer Person mit lackierten Fingernägeln schreibt mit einem gelben Kugelschreiber in ein Notizbuch
Das Schreiben eines HanShan-Gedichts ist gar nicht schwer, versuchs einfach mal!

Erst vor wenigen Wochen habe ich zum ersten Mal von einem Pantun-Gedicht gehört. Ich kannte diese Form bisher noch nicht, war daher hocherfreut und habe mich schlau gemacht. Lebenslanges Lernen eben, das erfrischt, hält die Gehirnzellen geschmeidig, vor allem aber erweitert diese Gedichtart meine Sammlung an für Kreatives Schreiben geeignete Texte. Es ist im Grunde ganz einfach, doch auch ich musste zunächst sehr genau in die Struktur und inhaltlichen Vorgaben eintauchen. Daher habe ich direkt eine Anleitung in 5 Schritten erstellt, damit auch du recht leicht dein erstes Pantun-Gedicht schreiben kannst 🙂

Was ist ein Pantun-Gedicht?

Das Pantun-Gedicht hat seine Herkunft in Malaysia und wurde ursprünglich von Wanderern vorgetragen – als Text oder Lied. Erste schriftliche Zeugnisse finden sich im 16. Jahrhundert in den Annalen Malaysias (Sejarah Melayu), bei uns haben Lyriker das Pantun im 19. Jahrhundert entdeckt

Diese Gedichtform hat keine festgelegte Strophenanzahl, eignet sich daher gut, um komplexere Geschichten zu erzählen. Einzig die Struktur der einzelnen Strophen folgt einem festen Schema:

  • Jede Strophe hat vier Zeilen, ist somit ein Quartett.
  • Die Zeilen (=Verse) bestehen aus jeweils acht bis zwölf Silben
  • wobei sich die erste und dritte, sowie zweite und vierte Zeile am Ende reimen:
  • a-b-a-b (das nennt sich Kreuzreim).
  • Jeweils die zweite und vierte Zeile einer Strophe wird als erste und dritte Zeile der nächsten Strophe wiederholt.
  • Zudem wird die dritte Zeile der ersten zur zweiten Zeile der letzten Strophe und die erste Zeile des Gedichts zur letzten.
Pantun - Schema Vers- und Reim-Reihenfolge (c) Gabi Kremeskötter
Die Vers- und Reim-Reihenfolge eines Pantun-Gedichts in schematischer Darstellung
  • Inhaltlicher Aufbau:
  • Die geraden Zeilen (=Verse) erzählen abwechselnd von einer Naturbeobachtung,
  • die ungeraden Verse werden durch ein menschliches Gefühl bestimmt.
  • Gerade diese Abfolge, die unterschiedlichen inhaltlichen Aussagen gemeinsam – verstärkt durch die Reim-Endungen – miteinander in Schwingung und Ausdruck zu bringen, offenbart das Prinzip der Pantun-Tradition.

Meine Anleitung in fünf Schritten für ein Pantun-Gedicht

Klingt recht komplex, jedoch mit dieser Anleitung kommst du Schritt für Schritt dahin:

  • Für ein Gedicht mit vier Strophen brauchst du zunächst nur insgesamt 8 Zeilen.
  • Immer zwei der Verse (=Zeilen) sollten sich reimen,
  • so erhältst du vier Reimpaare (a, b, c, d).

Schritt eins: Acht Verse

Schreibe acht Zeilen, die jeweils abwechselnd von der Natur und einem damit verbundenen Gefühl handeln. Dabei kannst, jedoch musst du nicht aufs Reimen oder die Silbenanzahl achten. Hauptsache, du hast acht Zeilen = Verse am Ende.

Schritt zwei: Reime

Beispiel:

  1. ein ganzer Wald für mich allein (Natur – a)
  2. was brauche ich schon mehr (Gefühl – b)
  3. fröhlicher Bach plätschert im Hain (Natur – a)
  4. mein Blick schweift hin und her (Gefühl – b)
  5. Feenhügel reihen sich zu Orten (Natur – c)
  6. der Wind flüstert in mir fremden Worten (Natur – c)
  7. entzückt lausche ich ihrem Gesang (Gefühl – d)
  8. verweile stundenlang (Gefühl – d)

Schritt drei: Silbenzahl

Bearbeite nun die Zeilen, konzentriere dich auf die Silbenzahl und ändere gegebenenfalls deine Wortwahl, ergänze, streiche, ändere, lass dabei den Reim und seine Folge, wie sie ist. Du kannst pro Vers die gleiche Silbenzahl wählen oder auch abwechseln. Wichtig ist nur, damit dein Gedicht ein Pantun wird, bewege dich im Spektrum von 8 bis 12 Silben.

Ich habe mich für je 8 Silben entschieden, weil ich Rhythmik mag, aber die Silbenzahl ist letzten Endes jedem selbst überlassen.

Beispiel:

  1. ein ganzer Wald für mich allein (Natur – 8 – a)
  2. welch Glück was brauche ich schon mehr (Gefühl – 8 – b)
  3. fröhlicher Bach plätschert im Hain (Natur – 8 – a)
  4. Magie – mein Blick schweift hin und her (Gefühl – 8 – b)
  5. Feenhügel werden Orte (Natur – 8 – c)
  6. Wind flüstert mir fremde Worte (Natur – 8 – c)
  7. entzückt lausche ich dem Gesang (Gefühl – 8 – d)
  8. der Zauber verfängt stundenlang (Gefühl – 8 – d)

In Klammern habe ich die Silbenzahl notiert sowie den Reim. Bisher besteht mein Gedicht also aus zwei Quartetten, einer mit Kreuzreim a-b-a-b und Parallelreim c-c-d-d.

Schritt vier: 16 Zeilen für 16 Verse

Forme nun aufgrund der Wiederholungs-Struktur, die ein Pantun ausmacht, das fertige Gedicht. Da es aus insgesamt vier Strophen mit je vier Zeilen besteht, nummeriere ich zunächst sämtliche Zeilen durch:

Zahlen 1-16 untereinander
Vorbereitung der insgesamt 16 Zeilen für ein Pantun-Gedicht

Schritt fünf: Die Verse werden eingefügt

Fülle nun deine 8 Verse in die Zeilen 1-16 gemäß diesem Schema:

Pantun - Schema Vers- und Reim-Reihenfolge (c) Gabi Kremeskötter
Die Vers- und Reim-Reihenfolge eines Pantun-Gedichts in schematischer Darstellung

Ich verdeutliche dir das nachfolgend wieder an meinem Beispiel:

Strophe eins entspricht meinen Zeilen 1-4 ohne Änderung:

  1. ein ganzer Wald für mich allein
  2. welch Glück was brauche ich schon mehr
  3. fröhlicher Bach plätschert im Hain
  4. Magie – mein Blick schweift hin und her

Mit Strophe zwei beginnt die „Zeilenschieberei“, denn zwei Zeilen übernehme ich dafür aus Strophe eins, und zwar die zweite und vierte, sie werden Zeile eins und drei der zweiten Strophe:

  1. welch Glück was brauche ich schon mehr
  2. Feenhügel werden Orte
  3. Magie – mein Blick schweift hin und her
  4. Wind flüstert mir fremde Worte

Für Strophe drei verfolge ich das gleiche Prinzip, denn auch hier übernehme ich aus Strophe 2 die Zeilen zwei und vier, sie werden wiederum Zeile eins und drei der dritten Strophe:

  1. Feenhügel werden Orte
  2. entzückt lausche ich dem Gesang
  3. Wind flüstert mir fremde Worte
  4. der Zauber verfängt stundenlang

Für Strophe vier gibt es noch eine Sonderregel:
die erste Zeile des Pantun-Gedichts wird zur letzten, zudem lautet die zweite Zeile der letzten Strophe wie die dritte der ersten.

Daraus ergibt sich die Zeilenfolge 7 (d) – 3 (a) – 8 (d) – 1 (a):

  1. entzückt lausche ich dem Gesang
  2. fröhlicher Bach plätschert im Hain
  3. der Zauber verfängt stundenlang
  4. ein ganzer Wald für mich allein

Fertiges Beispiel: Waldspaziergang

Und so sieht mein fertiges Beispiel aus:

Gedicht "Waldspaziergang" von Juli Norden, ein Pantun mit vier Strophen
Mein allererstes Pantun 🙂

Ich wünsche dir eine kreativ-spannende Zeit mit dem Schreiben deines ersten Pantun-Gedichts – und vielleicht magst du es mir weiter unten als Kommentar hinterlassen?

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Gruß Gabi


Lächelnde Frau vor Efeu-Wand mit einem Notizbuch in der Hand, darauf der Claim "Liebe, die durch Worte strahlt"

Gabi Kremeskötter

Liebe, die durch Worte strahlt

Freie Rede – Schreibworkshops – Lektorat


7 Kommentare

    1. Liebe Manuela,

      herzlichen Dank, dass du meine Begeisterung teilst. Ich habs ja auch gerade erst kennen, aber bereits lieben gelernt.
      Probierst du dich auch einmal daran aus?

      Viele Grüße Gabi

  1. Ganz toll beschrieben! Ich habe gleich losgelegt! Hier mein Pantun.
    🌅 Im Spätsommerlicht erblüht die letzte Pracht,
    🌫️ Während Nebel sacht den Morgen bewacht,
    🌸 Herbstzeitlose, still und zart im Feld,
    🍂 Leuchtet sie, die Natur zur Ruhe stellt.

    🌫️ Während Nebel sacht den Morgen bewacht,
    ☠️ Doch birgt sie Gift, in Schönheit getarnt,
    🍂 Leuchtet sie, die Natur zur Ruhe stellt,
    🍃 Ein Warnruf, der durch die Blätter hallt.

    ☠️ Doch birgt sie Gift, in Schönheit getarnt,
    🍁 Sei achtsam, wenn der Herbst um dich tanzt,
    🍃 Ein Warnruf, der durch die Blätter hallt,
    🌑 Nicht alles, was blüht, ist gütig und bald.

    🍁 Sei achtsam, wenn der Herbst um dich tanzt,
    🌅 Im Spätsommerlicht erblüht die letzte Pracht,
    🌑 Nicht alles, was blüht, ist gütig und bald,
    🌸 Herbstzeitlose, still und zart im Feld.

    1. Liebe Dagmar,
      danke für deine herbstlichen Zeilen! Ach, ist er wirklich schon so bald da?
      Dein Pantun ist (fast) perfekt, drückt es doch Natur und deine (zum Teil zwiespältigen) Gefühle aus.
      Schau dir noch einmal deine letzte Strophe an:
      Dem besonderen Schema für die letzte Strophe folgend
      wäre ihre Struktur 7d-3a-8d-1a
      also:
      Sei achtsam, wenn der Herbst um dich tanzt,
      Herbstzeitlose, still und zart im Feld,
      nicht alles, was blüht, ist gütig und bald.
      Im Spätsommerlicht erblüht die letzte Pracht.

      Ich sende die liebe Grüße
      Gabi
      🙂

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