Sprache ist keine Mode, sondern Kulturgut. Damit habe ich vor einiger Zeit meinen Blogartikel zum Thema Änderung von Ausdrücken, die vor Jahren noch angemessen, heute jedoch kritisiert werden, übertitelt. In die gleiche Richtung zielt mein heutiger Beitrag „Gendern ja oder nein?„. Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich mich einmal positioniere; wie ich dazu stehe, ob und wie ich gendere, warum und warum nicht 🙂
Gendern, was ist das überhaupt?
Gebe ich den Begriff „gendern“ bei Wikipedia ein, öffnet sich mir ein langer Artikel, der insbesondere das Gendern im deutschen Sprachraum behandelt. Die dort entnommene Definition stelle ich meinen eigenen Gedanken vorweg:
Im besonderen Sinne steht das Gendern im Deutschen für einen geschlechterbewussten Sprachgebrauch, der eine Gleichbehandlung der Geschlechter in der schriftlichen und gesprochenen Sprache zum Ausdruck bringen will. „
Wie ich zum Gendern stehe
Gendern findet bei mir tatsächlich unterschiedlich statt: beim Sprechen anders als beim Schreiben. Diese Unterschiede mache ich bewusst, denn gesprochene Sprache hört und fühlt sich für mich eindeutig anders an als geschriebene.
Wenn ich spreche oder eine Rede halte
Wenn ich spreche oder eine Rede halte, gendere ich deutlich weniger. Ich spreche spontan im generischen Maskulinum oder benutze zusammen oder abwechselnd die weibliche und männliche Form. Das kommt ganz auf den Kontext an, mit wem oder für wen, auch worüber ich spreche. Bei einer Freien Trauung spreche ich anders als wenn ich eine Lesung moderiere 🙂
Kenne ich für mich gut klingende Worte wie z. B. „Schreibende“, die alle Geschlechter einschließen, nehme ich diese. Jedoch spreche ich auch von „Autorinnen und Autoren“, nenne also beide Formen. Beim freien Sprechen bin ich somit sowohl bekennendes Gewohnheitstier, als auch offen für charmante Begrifflichkeiten, die ich in mein Sprechen ohne erkennbares Holpern einbringen kann.
Eine klare Absage bekommt jedoch, wer von mir erwartet, ich müsse diese Mini-Pause sprechen, die sich bei vielen vor einem „innen“ eingebürgert hat. Dieser Glottisschlag beim Gendern missfällt mir eindeutig. Ich toleriere jeden, der so spricht, jedoch werden diese Mitmenschen nicht meine Lieblings-Gesprächspartner.
Angemessene Sprache ist für ein gleichberechtigtes Miteinander aller Geschlechter wichtig, keine Frage. Jedoch geht mein Verständnis nicht so weit, dass ich dafür mein eigenes Sprachverhalten derart anpassen möchte.
Wenn ich mich schriftlich ausdrücke
Wenn ich mich schriftlich ausdrücke, mache ich mir deutlich mehr Gedanken darüber, wie ich weiblich, männlich und divers einbeziehen kann. Ich habe, seit ich meinen Blog 2022 startete, eine kleine Entwicklungskurve für mich beschritten, besser „beschrieben“. Inzwischen fühle ich mich im Schriftlichen wohl mit dem Doppelpunkt, wie z. B. bei „Interessent:innen“. Ich mag den Doppelpunkt, nutze ihn auch in anderem Kontext gern und häufig. Beim Gendern wähle ich ihn dennoch nur dann, wenn ich keine andere Ausdrucksweise kenne oder verwenden möchte.
Das World Wide Web ist hier übrigens eine große Hilfe, denn Datenbanken wie z. B. die Website Geschickt gendern haben eine Fülle von Alternativen zum generischen Maskulinum parat. Es lohnt sich daher, dort einmal zu schauen, wenn einem selbst partout kein guter Alternativ-Ausdruck einfällt.
Hat Gendern etwas mit dem Alter zu tun?
Die Bloggerin Britta Langhoff hat gleich zwei Artikel zum Thema Gendern veröffentlicht. Ihren 2. Artikel Gendern – eine Frage des Alters? habe ich kürzlich folgendermaßen kommentiert:
Ich bin vollends deiner Meinung, dass Gendern nichts mit dem Alter zu tun hat. Klar sind wir Älteren schon länger mit unseren Gewohnheiten unterwegs als Jüngere, aber Sprache begleitet uns eben auch unser Leben lang.
Ich unterscheide für mich zwischen Schrift- und Sprechsprache – daher übe ich mich in einem Spagat zwischen dem Gender: (-doppelpunkt) und anderen kreativen Wortgestalten.
Niemals jedoch werde ich diese klitzekleine Pause beim Sprechen üben, und ja: spätestens dann rolle auch ich die Augen und „steige aus“.
Und genau das ist das Tolle an UNSERER Errungenschaft des Älterwerdens: dass wir aussteigen können, uns das Recht nehmen (weil wir es haben) und uns dem widmen, was uns keine Irritation, Nervenkraft oder ähnliches aufbürdet.
Mein Fazit
Gendern ist wichtig, jedoch nicht um jeden Preis. Letzten Endes muss sich jeder selbst eine Meinung dazu bilden und danach handeln. Schwierig sind für mich Aussagen wie „Du genderst nicht? Dann diskriminierst du!“ oder „Wer gendert, unterwirft sich der Mode.“ Sprache ist strenggenommen ebenso ein Lebewesen wie die sie nutzenden Menschen. Entwicklung ist Anpassung, Anpassung ist Entwicklung.
Andere absichtlich auszugrenzen, kommt für mich nicht infrage. Doch behalte ich mir vor, meinen eigenen Sprachgebrauch an meinem Feingefühl auszurichten. Dafür wähle ich auch weiterhin, wenn sich andere Formen für mich zu gestelzt und gekünstelt anfühlen, das generische Maskulinum.
Habe fertig 🙂 Und wie stehst du zum Gendern? Ich bin neugierig! Wenn du erzählen magst, freue ich mich auf deinen Kommentar etwas weiter unten.
Viele Grüße Gabi

Gabi Kremeskötter
Liebe, die durch Worte strahlt
Freie Rede – Schreibworkshops – Lektorat
Liebe Gabi,
Du dröselst sehr schön auf, warum Gendern eine durchaus ambivalente Sache ist. Zu der man selber nicht nur die eine klare Meinung haben kann bzw. muss.
Wichtig finde ich eben auch bei diesem Thema, dass man sich gegenseitig aufgeschlossen zeigt und nicht direkt in Schubladen packt.
Liebe Grüße
Britta
Liebe Britta,
wichtig für mich ist, Stellung zu beziehen, mich selbst einzuordnen und bewusst zu machen, wann, warum und wie ich dem Gendern aufgeschlossen gegenüberstehe und wann eben auch nicht.
Ich freue mich, dass ich deinen Zeilen entnehmen kann, dass mir das gelungen ist 🙂
Viele Grüße
Gabi
Liebe Britta,
das Thema Gendern ist so vielfältig, wie Meinungen dazu existieren. Den eigenen Senf dazu geben, hat was 🙂
Viele Grüße Gabi
Ich gendere eigentlich nicht. Ich finde, dass soll jeder so handhaben wie er es für richtig hält.
Es kann jeder so leben wie er will, so lange es anderen nicht schadet.
Hallo Armin,
da stimme ich dir zu! Toleranz und Respekt gehören in beide Lager – und dazwischen 🙂
Gruß Gabi
Hallo Gabi,
vielen Dank, dass du dieses heikle Thema ansprichst und dich klar positionierst. Ich persönlich gendere nicht – in vielen Situationen empfinde ich es als Verhohnepiepelung der Deutschen Sprache. Der Sprachfluss wird, für mein empfinden, gestört und es ist für mich anstrengend zuzuhören. Generell gilt für mich: jeder so, wie er mag. Das hat für mich etwas mit Toleranz zu tun. Und die erwarte ich auch, dass sie meiner Sichtweise entgegengebracht wird. (Manchmal frage ich mich, ob wir in unserer Welt nicht wichtigere Themen haben….)
Nochmal vielen Dank, dass du dieses kritische Thema beleuchtest!
Liebe Grüße
Anette
Liebe Anette,
ich bin ganz bei dir: Jede Person auf die Weise, wie sie will!
Toleranz ist keine Einbahnstraße und daran müssen wir leider ab und zu ganz deutlich erinnern!
Ich hatte gerade heute ein interessantes Gespräch darüber, dass polizeiintern das Alphabet zum Buchstabieren neu besetzt werden soll.
Mit Städtenamen Deutschlands, damit sich niemand benachteiligt fühlt. Das aktuelle, überall bekannte „Alfred, Berta, Caesar … “ wurde wohl damals in Nazideutschland um jüdische Namen „bereinigt“ (z. B. Siegfried statt Samuel), was sicher nicht richtig war!! Doch muss daher 70 Jahre später ein allgemein bekanntes und eingeprägtes Alphabet geändert werden?
Was das für Abstimmungen, Ausschussarbeit, Diskussionen und Hin&Her verursacht haben muss, möchte ich mir gar nicht erst vorstellen.
Soviel zu „Haben wir in unserer Welt nicht wichtigere Themen?“
Viele Grüße
Gabi
Liebe Gabi,
ich finde es schön, dass Du Dich bei diesem heiklen und kontroversen Thema positionierst. Interessant finde ich, dass Du eine klare Unterteilung hast, was gesprochene und was geschriebene Sprache betrifft.
Tatsächlich handhabe ich es auch so und mache mir beim Schreiben auch hierzu mehr Gedanken, was mir nicht unbedingt bewusst war. Wenn es gute „geschlechtsneutrale“ Begriffe gibt, dann verwende ich sie. Und wenn nicht, dann bleibe ich beim generischen Maskulinum. Das „Pause Innen“ empfinde ich gesprochen als störend und lesen mag ich es auch nicht. Echte Gleichberechtigung findet dadurch nicht statt.
Die entsteht, indem Frau auch „Männerdomänen“ für sich erschließt, wie ich beim Stöbern in Deinem Blog erfreut festgestellt habe: Du und Dein Motorrad! Bei dem Foto musste ich schmunzeln, denn ich bin auch Motorrad gefahren – jetzt haben sich die Prioritäten zu Kindern verschoben, aber das ändert sich auch wieder 😉 Hier siehst Du mich und mein Bike in der Wüste Pakistans: https://renatamauz.de/fun-facts-ueber-mich/
In diesem Sinne, fröhliche Grüße, Renata
Liebe Renata,
danke für deine Zustimmung, dass meine Handhabe des Genderns auch deiner entspricht.
Wie wir mit unserer Sprache umgehen, zeigt, wer wir sind.
Und natürlich darf jeder den für sich passenden Weg finden.
Toleranz und Respekt sowie die damit ermöglichte Gleichberechtigung lassen sich mit vielen Stellschrauben lebendig gestalten.
Wichtig ist, dass wir uns unserer Möglichkeiten bewusst sind und sie aktiv nutzen.
Viele Grüße
Gabi
Liebe Gabi, ich beschäftige mich schon seit den 80ern mit dem Thema 😀 Und wie bei dir ist es bei mir davon abhängig, ob ich spreche oder schreibe, ob es eine lockere Unterhaltung ist oder eher ein formaler Anlass.
Ich empfinde es nicht so, als würden diejenigen, die konsequent den Doppelpunkt als Glottisschlag ausprechen anderen vorwerfen, dass sie es nicht tun. Eher umgekehrt. Wenn Menschen „aussteigen“, nur weil jemand anders spricht als sie, ist das in meinen Augen eher ein Ausgrenzen. Da lohnt es sich, ehrlich hinzusehen und dazu zu stehen.
Es gibt in der geprochenen Sprache so viel Bewegung, weg vom Dativ und Genitiv, hin zu „das Kommentar“ und neuen Bedeutungen für „mitunter“, da käme ich aus dem Aussteigen gar nicht mehr heraus 😀
Mir ist wichtig, welche Haltung ich bei Menschen sehe. Ob jemand sich Mühe gibt, inklusiv zu sein. Ob jemand mich mit meinem Bemühen annimmt. wenn das gegeben ist, kann ich locker über ein generisches Maskulinum hinweg hören.
Das Gute am leben in einer freien Gesellschaft ist ja, dass wir die Optionen haben, so zu sprechen, wie es zu uns passt.
Liebe Grüße
Angela
Liebe Angela,
danke für deine Gedanken zu diesem sensiblen Thema!
Du hast recht, Toleranz müssen beide Seite zeigen und auch wirklich so meinen, Sprache ist ein lebendiges Wesen und wir haben uns in den letzten Jahrhunderten ja auch enorm verändert.
Jedem das Seine, mir das Meine – und das meine ich inklusiv und nicht ausgrenzend 🙂
Viele Grüße zu dir
Gabi