Warum ich als Autorin keine kostenlose Lesung mehr halte

Veröffentlicht am Kategorisiert als Autorin Juli Norden
Autorin Juli Norden bei einer Lesung, daneben Text "Warum ich als Autorin keine kostenlose Lesung mehr halte"
Die Premierenlesung meines Romans "Dahinterliegendes Blau", eine der wenigen Veranstaltungen, für die ich ein Honorar erhalten habe.

Ich bin Verlagsautorin mit zwei Buchveröffentlichungen: 2019 kam mein Erstlingswerk heraus, das Projekttagebuch „Zweihundertneunzehn Quadratmeter Glück!“ sowie 2023 mein Roman „Dahinterliegendes Blau„. Beide Bücher haben ihr Zuhause bei unterschiedlichen Verlagen: Beides sind keine Publikumsverlage, sondern Kleinverlage, die mir die Chance der Veröffentlichung boten. Ich startete jeweils sehr zuversichtlich, vereinbarte zum Teil kostenlose Lesungen und eine kleine Social-Media-Kampagne, zeigte Gesicht auf verschiedenen regionalen Buchmessen, alles um auf meine Bücher aufmerksam zu machen. Schlussendlich jedoch habe ich jetzt entschieden, in Zukunft keine kostenlosen Lesungen mehr zu machen. Warum? Nun, das erläutere ich in meinem Blogartikel.

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Frau vor Efeuwand schaut durch das Fingerloch ihrer rechten Hand und lächelt

Mein Weg zur Autorin

Zuerst war da einfach nur der Wunsch zu schreiben. Nachdem ich 2010 das KREative Schreiben kennengelernt hatte, wurde es sehr schnell fester Bestandteil meines Leben. Aufschreiben, was ich erlebe, festhalten als unveränderbare Erinnerung, allein das trieb mich an und mein Laptop war fortan fast täglich geöffnet. Als ich 2014 ein altes Haus kaufte und renovierte, entstand während der Bauphase eine lose Sammlung von Anekdoten und Kurzgeschichten, die ich am Ende zu einem umfassenden Manuskript bündelte.

Die Entstehung meines ersten Buchs „Zweihundertneunzehn Quadratmeter Glück!“ nahm Form an, jedoch war mir die Veröffentlichung gar nicht so wichtig. Ich schrieb vornehmlich für mich selbst. Aber wie es eben so ist, der eine Kontakt ergab den nächsten und plötzlich erhielt ich relativ unkompliziert das Angebot des Diametric-Verlags, meine Geschichte zu veröffentlichen. Wow, was für ein Erfolg! Meine schriftstellerische Leistung wurde wertgeschätzt, ich war vollkommen euphorisch und glücklich.

Ich weiß nicht, wie viele Stunden Zeitaufwand ich für das Schreiben, Korrigieren, Überarbeiten und Enddurchsicht hatte, Lektorat, Bucherstellung leistete ja der Verlag. (Warum ich mich für das Pseudonym Juli Norden entschied, ist eine andere Geschichte, lach.) Viele, viele Hunderte an Stunden werden insgesamt auf meinem Zeitkonto dafür aufgelaufen sein. Diese Arbeit am Ende in einem gedruckten Buch in Händen zu halten, war wirklich ein großartiger Moment.

Lernschritte in Sachen Vermarktung meiner Bücher

Doch jede Autorin, jeder Autor weiß, mit der Veröffentlichung fängt im Grunde alles erst an. Denn was nützt das interessanteste, unterhaltsame – auch lehrreiche Buch, wenn niemand davon weiß?

Social-Media

Ich startete somit 2019 mein erstes Social-Media-Profil Juli Norden und postete. Baute mir in wiederum zeitaufwändiger Weise eine kleine, langsam wachsende Followerschaft auf.

Doch folgten darauf auch Buchverkäufe? Einige Personen aus meinem Freundes- und Familienkreis, klar, die waren neugierig und lasen das Buch. Doch Unbekannte? Eher Fehlanzeige, leider.

Hier findest du mich auf Social-Media:

Gabi Kremeskötter:

Autorin Juli Norden:

Lesungen

Nächste Strategie, vorgeschlagen von meiner Verlegerin: Lesungen anbieten. Ich recherchierte, telefoniert, kontaktierte. Baumärkte (ich bin in meiner Renovierungsphase ja sozusagen zu einer kleinen Expertin geworden), Buchhandlungen, Veranstaltungsräume, auch private Kreise versuchte ich für mein Buch zu interessieren.

Eintritt ? Mit welchem Recht könnte ich den verlangen? „Sie machen doch Werbung für Ihr Buch! Das sollte reichen.“ Diesen Satz hörte ich mehr als einmal, wenn ich nach einer Aufwandsentschädigung fragte. Als unerfahrene Autorin nahm ich an, das wäre normal und durchaus üblich. Ohne einen Namen in der Literaturszene gehört Klinkenputzen wohl zum Geschäft.

Vielleicht hatte ich auch einfach Pech, denn fielen sämtliche meiner für 2020 geplanten Lesungen durch den Lockdown dem Corona-Virus zum Opfer. Als 2021 wieder etwas hätte vereinbart werden können, waren jedoch die damaligen Neuerscheinungen für die meisten Veranstalter interessanter. Welcher Hahn kräht schon nach einem Buch von gestern?

Autorin mit langen Haaren liest aus ihrem Buch
Lesung im Cusanushaus in Bernkastel-Kues, mein Erstlingswerk „Zweihundertneunzehn Quadratmeter Glück!“ Dank des Kulturtopfs der Stadt Bernkastel-Kues erhielt ich auch hier ein Honorar

Beim zweiten Buch alles besser?

Auch als ich 2023 mein zweites Buch bei der Edition Schaumberg veröffentlichen konnte, machte ich keine besseren Erfahrungen. Zwar konnte ich dieses Mal auf meinen bereits bestehenden Social-Media-Kanäle aufbauen, doch erfolgversprechende Türen öffneten sich für mich nicht.

Die in Aussicht gestellten Lesungen im Einflussbereich des Verlags im Saarland kamen nicht zustande, in meiner Region konnte ich zwar zwei, drei vereinbaren, jedoch auch hier stand der zeitliche Aufwand mit Buchverkäufen, geschweige denn kleinen Honoraren, in keinem günstigen Verhältnis.

Ich war auf Buchmessen in Mainz und Koblenz, habe Blogartikel mit Rezensionen für beide Bücher veröffentlicht und beworben, für meinen Roman sogar ein Programm für eine musikalische Lesung entwickelt. Ich kann daher mit gutem Gewissen für mich in Anspruch nehmen, durchaus umtriebig, engagiert und fleißig zu sein. Doch hat mich inzwischen ein wenig die Motivation verlassen.

Büchertisch mit Publikationen von Juli Norden
Mein Büchertisch bei Messen und Lesungen nicht fehlen:-)

Meine Erkenntnisse

Um eines vorweg zu sagen: Ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen und bin womöglich auch kein repräsentatives Beispiel. Meine Meinungsbildung ist höchst individuell und andere Autorinnen und Autoren mögen vollkommen andere Erfahrungen gemacht haben. Das reflektiere ich hier nicht und möchte auch nicht positionieren. Ich möchte nachfolgend lediglich meine Erkenntnisse festhalten und teilen.

In Sachen Marketing

Ich bin mit meinem Buch-Marketing nach wie vor nicht erfolgreich, angesichts von mehr als 60.000 Neuerscheinungen allein auf dem deutschen Buchmarkt ist das auch kein Wunder. Wenn die Werbetrommel nicht läuft, weil Kleinverlage dafür schlicht und einfach das Budget fehlt, ich als Autorin sozusagen auf mich allein gestellt bin, was Vermarktung, Sichtbarwerden etc. angeht, stoße ich schnell an meine materiellen, als auch zeitlichen Grenzen.

In Sachen Aufwand

Ich bin in Vorleistung gegangen. Habe viele Stunden, Wochen und Monate, gar Jahre in meine Buchprojekte investiert. Freiwillig, auch das ist keine Frage. Doch irgendwann ist auch einmal gut. Verlage verdienen an jedem verkauften Buch. Klar, sie wollen und müssen ja ihren Aufwand für Lektorat, Coverdesign, Buchdruck und Vertrieb wieder reinbekommen und natürlich auch Gewinn erzielen.

Diese Gewinnerzielung jedoch wird auf Seiten der Autorenschaft auf ein sehr geringes Maß reduziert. Das uns Schreibenden durch das Schreiben entstehende Zeitkonvolut steht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Jeder Vertragsautor erhält Tantiemen, die bei Kleinverlagen zwischen 7 und 10 Prozent vom Netto-Verkaufspreis an die Buchhandlungen liegt.

Kleines Rechenbeispiel:

  • Mein Erstlingswerk kostet im Buchhandel 12,98 Euro inkl. MwSt. Das entspricht netto 10,91 Euro. Darauf erhält der Buchhandel einen Rabatt von üblicherweise 30%, wären somit 7,63 Euro, die die Buchhändlerin für ein Exemplar an den Verlag zu zahlen hat (die Frachtkosten lasse ich jetzt einmal außen vor). Ihr Gewinn läge somit bei 3,28 Euro pro Buch.
  • Meine 7% Tantieme auf 7,63 Euro sind 0,53 Euro, mein Reingewinn pro verkauftem Exemplar, und da ich korrekt bin, muss ich diesen Gewinn noch versteuern. Jeder, der etwas rechnen kann, wird nun erkennen, dass eine Autorin damit nicht reich wird. Dass diese Summe, selbst bei 1.000 verkauften Exemplaren (von denen ich weit, weit entfernt bin!), niemals den Zeiteinsatz ausgleichen wird. Nicht schlimm, denn ich habe ja freiwillig geschrieben, nur für mich.

In Sachen Lesungen

Endlich komme ich zu meiner Kernaussage, warum ich als Autorin in Zukunft keine kostenlosen Lesungen mehr mache: Meine Zeit ist begrenzt und hat allein daher einen besonderen Wert für mich. Ich habe kostenlose Lesungen gehalten, im Glauben, sie würden tatsächlich der Werbung und Sichtbarkeit meiner Bücher dienen. Doch heute, sechs Jahre später, stelle ich fest: Die Realität folgte nicht meinen Wünschen.

Daher möchte ich ein Erlebnis, wie zuletzt auf der Koblenzer Buchmesse Anfang Oktober, nicht mehr verbuchen müssen: Ich war zehn Stunden unterwegs, davon zwei mit dem Auto (und verbundenen Fahrtkosten für Benzin, Parkgebühren) und acht vor Ort im Messebereich. Ich habe eine kostenlose Lesung aus meinem Roman gehalten mit bestimmt 25 interessierten Zuhörer:innen.

Danach kamen zwei Frauen zu mir an den Stand und wollten jeweils ein Buch kaufen. „Bekommen wir Mengenrabatt?“, war die Frage, die mich unvorbereitet traf. „Das tut mir leid, ich bin an den Buchbindungspreis gebunden!“, war meine Antwort, die eindeutig den deutschen Rechtsbedingungen entspricht. „Oh, schade, dann kaufen wir nur eins und lesen nacheinander.“

Ich war überrascht und ja, zugegebenermaßen auch frustriert und echt verärgert. Wo bleibt die Anerkennung für Kultur schaffende KREative, die doch irgendwie auch ihr Leben finanzieren müssen?

Dieses eine Exemplar war am Ende das einzige, das ich innerhalb der acht Stunden verkaufen konnte. Viele sahen sich das Buch an, suchten das Gespräch mit mir, wollten nach ihrer Runde durch den Messesaal zurückkehren und kaufen. Aus den Augen, aus dem Sinn, mehr sage ich dazu nicht.

Autorin Juli Norden am Tisch des Literaturwerk Rheinland-Pfalz-Saar e.V. in Mainz 2023, vor ihr ihre Bücher
Am Gemeinschaftsstand des Literaturwerks Rheinland-Pfalz-Saar e.V. in Mainz 2023 mit meinen Büchern

Autorenschaft reine Liebhaberei? Ich sage nein!

Wenn ich künftig weiterhin kostenlose Lesungen vereinbarte, würde ich meine Autorenschaft als reine Liebhaberei betrachten. Dazu bin ich nicht länger bereit, denn ich behaupte mich als kritische Sachverständige, was Lesen, Schreiben und Buchentwicklung bedeutet, nicht zuletzt als Dozentin für KREatives Schreiben mit langjähriger Praxis und gut laufendem Kurssystem.

Gabi Kremeskötter am Laptop, darunter "Kundenstimmen zum Online-Schreibkurs: KREatives Schreiben lernen mit "KREativ mit Gabi"
In diesem Blogartikel habe ich einige Kund:innenstimmen meiner Schreibkurse zusammengefasst.

Als unbekannte Autorin ist es schwer, sehr schwer für Lesungen gebucht zu werden, die ein Honorar beinhalten. Wir müssen uns die Sichtbarkeit hart erkämpfen, als Argument, uns kostenlos zu verpflichten wird oft das Argument herangezogen: „Mach eine Lesung umsonst, dann wirst Du zumindest gehört und kannst vielleicht ein Buch verkaufen.“

Da frage ich mich, wer geht ins Kino, ohne eine Karte zu kaufen? Wer geht zum Friseur und denkt die Friseurin hat Lust, umsonst die Frage zu Haare zu schneiden? Viele Veranstalter denken, wenn sie mir ihre Bühne geben, wäre das doch Werbung genug für mich. Dabei bin ich als Verlagsautorin im Grunde gar nicht für Werbemaßnahmen zuständig, sondern der Verlag. Warum also soll ich weiterhin meine Freizeit kostenlos abgeben? Um meine Zuhörerschaft kostenlos zu unterhalten? Darum: Kunst kostenlos? Ich sage nein!

Mein Fazit: was Autor:innenlesungen wert sind

Üblicherweise werden für eine Lesung 300 Euro vereinbart, auch 200 Euro sind noch angemessen. Unter dieser Summe sollte kein Autor, keine Autorin ein abendfüllendes Leseprogramm bieten. „So viel?“ wird der eine oder andere nun denken. Doch werden Theaterstücke, Opern, Kinofilme, Konzerte und vieles mehr auch nicht kostenlos angeboten. Weil die Leistung der Künstler:innen und Kreativschaffenden eben einen Wert habt. Somit auch meine, und zwar rein monetär betrachtet.

Als Autorin verdiene ich nur an Lesungen, wenn mir ein Honorar gegeben wird. Die wenigen Buchexemplare, die ich durch einen Büchertisch verkaufen kann, sind nett, aber eben nur ein kleines Zubrot (auch wenn ich bei Autorinnenexemplaren, die ich zum Netto-Buchhandelspreis beim Verlag mit entsprechendem Rabatt erwerben kann, meinen Ertrag etwas erhöhen). Ich habe viele Jahre meine Zeit unter Wert vergeben. Dazu bin ich nicht mehr bereit. Ich werde daher in Zukunft keine Lesung mehr ohne Honorar vereinbaren.

Autorin Juli Norden aka Gabi Kremeskötter vor einer Bruchsteinwand. Daneben ihr Gedicht "Was ich bin".
Was ich bin (c) Juli Norden 04.03.25

Stimmst du mir zu? Bist du selbst Autor oder Autorin? Wie sind deine Erfahrungen und Erkenntnisse diesbezüglich? Lass uns in den Austausch gehen und schreiben mir in die Kommentare. Ich bin gespannt 🙂

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Frau vor Efeuwand schaut durch das Fingerloch ihrer rechten Hand und lächelt

Lächelnde Frau vor Efeu-Wand mit einem Notizbuch in der Hand, darauf der Claim "Liebe, die durch Worte strahlt"

Gabi Kremeskötter

Liebe, die durch Worte strahlt

Freie Rede – Schreibworkshops – Lektorat


Von Gabi Kremeskötter

Geb. 1966 in Pinneberg, wohnhaft in D-56841 Traben-Trarbach/Mosel/Rheinland-Pfalz, Dozentin für KREatives Schreiben, Lektorin & Korrektorin, Freie Rednerin für Trauungen, Kinderwillkommensfeste und Trauerfeiern, Autorin Juli Norden

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