Geschieden und das Heiraten feiern: passt das zusammen?

Veröffentlicht am Kategorisiert in Freie Rede, Persönliches
Frau mit langem Zopf schaut nachdenklich zur Seite

Ich bin Freie Rednerin. Für Trauerfeiern. Für Kinderwillkommensfeste. Vorrangig werde ich jedoch für eine Freie Trauung gebucht. Die Liebe zweier Menschen feiern, in eine persönliche Zeremonie einbinden, den perfekten Rahmen schaffen für ihr Ja-Wort, das treibt mich dabei an. Du fragst dich jetzt, wo bitte genau mein Problem liegt? Warum ich frage „Geschieden und das Heiraten feiern: passt das zusammen?“

Ein Konflikt, wo gar keiner ist?

Womöglich sehe ich einen Konflikt, wo gar keiner ist. Gut möglich! Genau das möchte ich mit diesem Blogbeitrag herausfinden. Denn tatsächlich frage ich mich ab und zu, ob meine Tätigkeit mit meiner Glaubwürdigkeit zusammengeht.

Ich habe bereits Menschen verloren, die ich beerdigen musste: meine Schwester, meinen Vater, eine sehr gute Freundin. Ich weiß daher, wie wichtig eine persönliche Verabschiedung ist. Auch habe ich eigene Kinder, die wir zwar nicht mit einem Fest in der Familie willkommen hießen, aber das war damals einfach noch nicht üblich. Umso mehr propagiere ich diese feierliche, nicht-kirchliche Aufnahmezeremonie, die sich Kinderwillkommensfest nennt und immer beliebter wird.

Als Freie Traurednerin jedoch stehe ich vor einer Hochzeitsgesellschaft und verheirate glücklich liebende Brautpaare. Bin selbst allerdings seit fast zwanzig Jahren geschieden. Bin also streng genommen genau damit gescheitert, was ich in meiner Freien Traurede herausarbeite: das Zusammensein, Zusammenbleiben, das gemeinsame Glück. Gescheitert mit meiner eigenen Ehe, allein lebend, nicht verpartnert, Dauer-Single.

Wie glaubwürdig bin ich?

Kann und darf ich trotzdem daher kommen und allen Ernstes glaubwürdig Hochzeiten durchführen? Den Brautleuten ihr Ja-Wort abnehmen und sie zu Mann und Frau erklären, in ausführlichen Freien Reden ihre Liebesgeschichte feiern und für die Zukunft Glück und ein emotional reiches Leben prognostizieren? Geschieden sein und das Heiraten unterstützen, passt das wirklich zusammen?

Ich selbst stand 1991 mein einziges Mal vor einer Standesbeamtin. Voller Hoffnung und Zuversicht, voller Liebe zu meinem damaligen Mann. Habe unsere Hochzeit erlebt, sie genossen und gefeiert. Doch unsere Ehe hielt nicht. Zerbrach. Und heute stelle ich mich als Freie Rednerin hin und halte Loblieder auf die große Liebe, die ein Brautpaar veranlasst, sich zu trauen. Lasse sie ihren Glauben an ihre Liebe und ihr Zusammensein mit einem Ja geloben.

Verstehst du, in welche Richtung mein Denken geht? Warum ich lange Zeit darüber nicht nachdenken wollte, mich nicht traute, zumindest meinen Brautpaaren gegenüber davon zu sprechen? Dass eine geschiedene Frau sie verheiraten wird?
Wie ein unsichtbares Brandmal trug ich diesen Zweifel in mir. Wenn auch nicht permanent vorn auf der Brust, so doch bis heute.

Schluss mit dem Zweifel!

Genau, bis heute! Denn ich habe beschlossen, mit diesem, meinem vermeintlichen Makel herauszutreten aus verschämter Ecke. Ich kann nichts dafür. Nichts dafür, das ich kein „Perfect Match“ hatte, dass ich nicht das Glück hatte, mit dem Vater meiner Kinder alt zu werden. Das hält mich jedoch nicht davon ab, dass ich die Liebe weiterhin liebe, sie mit Leidenschaft und Inbrunst feiere. Sie in passende, persönliche, emotionale Worte kleide, damit für das Brautpaar die Freie Trauung, die ich vollziehe, zu genau dem Erlebnis wird, das sie sich wünschen.

Meine Arbeit und Leistung hat nichts mit meinem eigenen persönlichen Beziehungsstand zu tun. Der Zweifel geisterte nur in meinem eigenen Kopf herum, nicht jedoch in der Außenwahrnehmung. Wer mich erlebt, mich kennenlernt, spürt sehr schnell, dass ich mit aller Hingabe die Liebe sehe, die Liebe fühle und erlebe, die mich umgibt. Und sehr eindrücklich umgibt, wenn ich ein Brautpaar in einer Freien Rede traue. Ich liebe die Freie Rede, durch die ich dem Brautpaar einen unvergesslichen Tag bereite, die aber auch mir sehr viele positive Schwingungen und besondere Momente schenkt.

Ich glaube an die Liebe!

Denn letzten Endes hält jedes Kennenlerngespräch, jede vollzogene Freie Trauung die Fahne meines eigenen Glaubens an die Liebe hoch. Dass sie da ist. Dass es sie gibt. Dass sie auch mir gilt. Dass ich geliebt werde auf vielfältige Weise. Und wer weiß: Vielleicht zeigt sie sich mir, irgendwann durch irgendwen irgendwo, noch einmal und dieser eine, ganz besondere Mensch steht vor mir. Ich glaube ganz fest an die Institution Ehe, das hat mir meine eigene Erfahrung nicht nehmen können.

Darum kann ich offenen Blickes, mit vollem Herzen und aller mir innewohnenden Hoffnung sagen: Geschieden und das Heiraten feiern: Ja! Das passt zusammen!

In diesem Sinne verabschiede ich mich von dieser Frage und schaue hoffnungsfroh auf jede Liebe, die ich künftig feiern darf:

  • jeden geliebten Verstorbenen, den ich für die Angehörigen in Würde verabschiede,
  • jedes Neugeborene, das ich in seiner Familie willkommen heiße sowie
  • jedes Brautpaar, das ich mit Gänsehautmomenten und der ihm gebührenden Emotionalität traue.

Ich liebe meinen Job, ich liebe die Liebe!

Herzlichst, eure Gabi.

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Zunächst findest du hier noch meine letzten drei Blogartikel, vielleicht ist ja noch einer interessant für dich:-)

8 Kommentare

  1. Sehr schöne Gedanken! Als geschiedener Hochzeitsfotograf habe ich mir die gleiche Frage gestellt. Bei einer Hochzeit feiert ein Paar seine Liebe. Das geschieht im Hier und Jetzt. Niemand weiß, was die Zukunft bringt, aber ich will mit meiner Arbeit alles dafür tun, dass sie diesen Moment genießen und mit meinen Bildern Erinnerungen schaffen, die vielleicht auch über noch kommende schwere Zeiten helfen und daran erinnern, was man aneinander hat.

  2. Manchmal verliert man sich im Internet, in den Blogs und Posts. Scrollt über die Titel, ohne sie anzuklicken. Man nimmt wahr, dass man den ein oder anderen Autor kennt und freut sich zu sehen, dass ein neuer Beitrag drin ist. Man liest aber nicht jeden. Der Alltag, das Tempo….
    Bei „Geschieden und das Heiraten feiern?“ habe ich auf die Restmenge in meinem Kaffeebecher geschielt und entschieden, dass die Zeit reicht. Hat mich interessiert. Denn auf der Hochzeit war ich. Was ist das lange her. Ist seltsam, wenn man einen Bezug zu einem veröffentlichten Text hat. Man wird zum Voyeur einer Geschichte, an der man als Gast teilgenommen hat. Irgendwie schräg.
    Die Gedanken im Artikel finde ich spannend und gehe alle mit!
    Ich stolperte aber auch darüber, dass „mein Vater“ unterstrichen war. Ein link? Ja.
    Der Kaffee war kalt und stehen geblieben. Das musste ich lesen. Denn es ist zufällig einen Tag vor dem Todestag deines Papas. Ich wusste, ich würde in die Zeit eintauchen und sie wieder empfinden. Ja, Gabi, so war es, du hast es wunderbar wiedergegeben und es passte auf deinen Papa.

    1. Wow, liebe Inga, herzlichen Dank für deinen Kommentar!
      Er wiegt doppelt, wenn nicht noch schwerer, äh, wichtiger, gerade weil wir uns kennen und ich dich als wertvolle Kritikern kenne🥰
      Ich freue mich über deine Anerkennung, und das verstehe ich nicht als Floskel sondern im reinen Wortsinn.
      Wir begleiten uns schon lange, kennen uns gut und doch niemals alles.
      Ich schmunzelte daher über dein Wort voyeuristisch, lach, schließlich habe ich eingeladen zu lesen, allein dadurch, dass ich veröffentliche😉
      Wir sehen uns ganz bald, freue mich darauf!
      Liebe Grüße zu dir,
      und dass du für meine Artikel den Kaffee hast kalt werden lassen, werte ich als Kompliment oben drauf😀
      Gabi

  3. Liebe Gabi, danke, dass du Liebe auf diese deine ganz eigene wunderbare Art feierst. Man spürt dein Herzblut für diese Arbeit und das ist worauf es für mich ankommt, wenn ich eine freiere Rednerin brauche.

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