Was ist ein Fragengedicht?

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Hand einer Person mit lackierten Fingernägeln schreibt mit einem gelben Kugelschreiber in ein Notizbuch
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Am Kreativen Schreiben liebe ich besonders das Experimentieren mit den unterschiedlichsten Textformen. Eine besonders spannende Form ist das Fragengedicht. Es hat eine erzählende Struktur, aber verdichtet auch. Daher verbindet das Fragengedicht lyrische Aspekte mit erzählerischen. Was genau ein Fragengedicht ausmacht, seine Struktur und Herkunft sowie Verwendung erkläre ich in meinem Blogartikel.

Was sind die Merkmale des Fragengedichts

Die Erklärung der Merkmale des Fragengedichts ist einfach, denn seine Bezeichnung darf wörtlich genommen werden: Es besteht ausschließlich aus Fragen, die sich in ihrer Fragestellung direkt an den Leser wenden. Ihn einbeziehen und somit in ein Zwiegespräch mit der Verfasserin/dem Verfasser des Gedichts bringen. Jede Zeile ist eine Frage, die einen Widerhall beim Lesen verursacht. Denn während des Lesens werden sowohl die Gedanken der Autorin/des Autors erkennbar als auch mögliche eigene Antworten darauf.

Das Fragengedicht ist in seiner ausformulierten Satzstruktur sowohl Prosa als auch Lyrik. Die Antworten auf die bewusst formulierten Fragen des Verfassers liegen bereits in den Fragen selbst. Die eigenen Antworten der Rezipienten während des Leseprozesses darauf ist die zündende Idee dieser Gedichtform. Ich mag sie wirklich sehr 🙂

Wovon handelt ein Fragengedicht?

Das Fragengedicht ist einfach und klar in der Sprache, kann sich den unterschiedlichsten Themen widmen. Erlebnisse in der Natur, im Zwischenmenschlichen, aber auch Gesellschaftskritik lassen sich dadurch eindrücklich formulieren und adressieren. Eigene Fragen werden klar und rufen zu einem Widerhall bei der Leserschaft auf. Nicht selten sind sie Anstoß für eine weitere Diskussion und regen weiteres Nachdenken an.

Das Fragegedicht ist somit sehr gut geeignet, sich auch umfassenden Inhalten zu widmen, sich textlich damit auseinanderzusetzen. Die Länge eines Fragengedichts kann daher stark variieren, von wenigen Zeilen bis hin zu seitenlangem Umfang. Es endet erst dann, wenn keine weiteren Fragen offen sind 🙂

Wer hat das Fragengedicht entwickelt?

Vor fast genau 24 Jahren, am 26.09.2020, verstarb der amerikanische Dichter Robert Lax. Seine Werke zeichnen sich durch eine klare, schnörkellose Sprache aus, die durch ihre Einfachheit dem Leser, der Leserin ermöglicht, sich in seinen Texten wiederzufinden. Diese Authentizität übt eine große Anziehungskraft aus und lässt sein Schriftwerk auch über seinen Tod hinaus gegenwärtig bleiben.

Robert Lax war zeit seines Lebens ein sehr aktiver Dichter und Publizist. Er war unter anderem Herausgeber von „The New Yorker“ sowie auch für das „Time Magazine“ aktiv. Seine Tagebücher und Gedichte wurden in der ganzen Welt veröffentlicht. Die ihm eigene einfache Wahrnehmung so vieler Details und Regungen, sein aufmerksamer Blick für alles Lebendige und deren Zwischentöne, zeichnen seine Texte aus. Kein Wunder, dass Robert Lax auch spirituell wach und erfahren war 🙂

Robert Lax hat als erster Gedichte verfasst, die nur aus Fragen bestehen. Diese Fragen richtet er an seine Leserschaft und erzeugen somit die Motivation, zu jeder Frage eine eigene Antwort zu finden. Die durch diese Technik angeregte Zwiesprache geschieht unmittelbar, ist jedoch gleichzeitig unaufdringlich ehrlich.

Eigenes Beispiel eines Fragengedichts

Fragengedicht mit dem Titel "Wunder Punkt" von Juli Norden
Mein Fragengedicht „Wunder Punkt“ (c) Juli Norden 24.09.24

Um barrierefrei mein Gedicht zu teilen, hier noch einmal ausgeschrieben:

Wunder Punkt

Sag mir, fühlst auch du einen wunden Punkt in dir?

Der sich meldet von Zeit zu Zeit und dich erinnert?

Erinnert an das, was dir einst weh tat und nur mühsam vernarbte?

Kennst auch du das Ziehen im Bauch, weil jemand drauf drückt und ihn triggert?

Spürst du diese Ohnmacht, die dich lähmt und sprachlos macht,

wenn er dir zeigt: Ist noch längst nicht alles wieder gut?

Erinnert er auch dich an die dunkelste Stunde deiner Tage?

Läuft auch dir eine Träne übers Gesicht, wenn Trauer dich überkommt und ein

sehnsuchtsvolles „Wann endlich“?

Sag mir, fühlst auch du einen wunden Punkt in dir?

Wie gehst du mit ihm um, ignorierend, pflegend oder heilend?

Weißt du, ob er jemals verschwindet?

Hat er sich auch bei dir eingenistet und meldet sich immer dann,

wenn du am wenigsten mit ihm rechnest?

Überrumpelt er auch dich und zieht dir den Boden unter den Füßen weg?

Wie gelingt dir sein Betäuben, sein Zurückdrängen, dein Mit-ihm-Leben?

Reißt er auch bei dir immer wieder auf, stört vermeintlich erlangten Frieden?

Sag mir, fühlst auch du einen wunden Punkt in dir?

(c) Juli Norden 24.09.24

                                                   

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