Textüberarbeitung: Finde die Perle in deinen Worten

Veröffentlicht am Kategorisiert in Kreatives Schreiben
Schreibende Frauenhand in gelbem Notizbuch
Mein Notizbuch und ich: immer dabei, um meine Ideen festzuhalten - und den einen oder anderen spontanen Text :-)

Als Dozentin für KREatives Schreiben rege ich durch die unterschiedlichsten Begriffe und Schreibimpulse meine mit mir Schreibenden zu Kurztexten an. Wenn ich anschließend zu einer freiwilligen Vorleserunde auffordere, höre ich oft: „Ach, das ist so banal!“, „Mein Text ist nichts.„, „Sorry, mir ist nicht wirklich etwas Sinnvolles eingefallen.“ Dann lache ich und antworte: „Sag das nicht! Ich bin sicher, auch in deinem Text steckt eine Perle! Wir müssen sie nur herausarbeiten.“ Wie das geht durch einfache Textüberarbeitung, auch das erkläre ich in meinen Schreibkursen. Damit auch du einmal einen Eindruck davon bekommst, was genau ich damit meine, zeige ich im folgenden Blogbeitrag einen Weg, wie durch Textüberarbeitung auch du die Perle in deinen Worten findest.

Ausgangspunkt: ein spontan geschriebener Text

Verstehe diesen Blogartikel gerne als Mitmach-Aufruf 🙂 Gestern habe ich in meinem Schreibkurs genau diese Übung mit den Schreibenden gemacht. Mithilfe des Würfel-Sets Story Cubes, die „Voyages“-Variante, würfelte ich drei Begriffe: Wellen – Vogel – Flasche.

Wenn du magst, nimm dir direkt dein Schreibzeug und lege ebenfalls los! Schreibe drei Minuten lang zum Begriff Wellen. Füge nach drei weiteren Minuten zum zweiten Begriff Vogel Text hinzu; die letzten drei Minuten nutze anschließend, um eine Flasche sinnvoll in dein bereits Geschriebenes einfließen zu lassen. Du wirst am Ende somit neun Minuten geschrieben haben und einen mehr oder weniger zusammenhängenden Text als Ergebnis sehen. Bei mir kam dieser Text heraus:

Wellen

Sie schmeicheln, sie wiegen, sie wogen und spülen. Drehen mich hin und her und tun einfach gut. Nicht zu tief, ich spüre den Boden unter meinen Füßen und fühle mich doch bewegt, stimmig geschaukelt, das Auf und Ab in regelmäßigen Schüben hat etwas Beschützendes und doch bin ich hellwach. Eine Welle könnte mich überspülen, mir den Atem rauben und Salz in meine Kehle spülen. Und doch genieße ich. Ich lege mich auf den Rücken und lasse mich treiben, mein Blick bleibt am Himmel hängen.

In sanftem Rhythmus gewogen folge ich dem Paar Möwen. Im Tandemflug scheinen sie zu tanzen, lassen sich vom Wind zu Pirouetten, Sturzflügen und bewegungslosem Gleiten hinreißen.
Freude am Leben, die Kunst des Fliegens perfektioniert und dann verliere ich sie aus meinem Gesichtsfeld. Eine Welle schwappt, ich schließe meine Augen und gebe mich hin. Gehe unter und mein Denken setzt aus. Verliere mich im Wasser und spüre nur noch das Nass, meinen Atem, den ich in der Lunge halte.

Wie eine Flaschenpost treibe ich, übergebe mich den Wogen. Gefüllt mit Glück, keine Angst oder Sorge. Freiheit, Leere und Dunkelheit.
Das Außen verschwindet und ich ergieße mich ins Meer. Löse mich auf und halte noch ein Weilchen mich an. Öffne die Augen und sehe – nichts mehr.
© Juli Norden

Dieser Text ist vollkommen spontan entstanden und in keiner Weise überarbeitet. Habe lediglich meine Gedanken notiert, einfach so, wie sie aus mir herausflossen sind. Alle Begriffe sind enthalten und ergeben sogar einen Sinn 🙂 Das hat schon mal gut geklappt! Bei dir auch – und nun?

Aus dem Entwurf wird eine erste Textessenz: ein Drabble

Um durch Textüberarbeitung der ihm inne liegenden Perle näherzukommen, also einen verdichteten, trefflichen Text zu gestalten, bietet sich die Textform Drabble an. Was ist ein Drabble? Das kannst du in meinem separaten Blogartikel nachlesen, das Wichtigste daran ist: Ein Drabble besteht aus genau 100 Wörtern. 100 nicht 98 oder 103, genau 100. Also zähle ich nun zunächst die Wörter meines Entwurfs: 208, oha, jedes zweite Wort ist also zu viel 🙂

Herausforderung angenommen! Ich schaue mir meinen Text genauer an. Analysiere den Inhalt, entscheide, welche Passage bleibt und welche Worte gehen müssen. Am Ende zählt mein Wort-Zähl-Programm, ich nutze dafür Word, genau 100 Wörter. Diese sind es geworden:

WELLEN

Sie schmeicheln, wiegen, wogen und spülen. Drehen mich hin und her. Ich spüre den Boden, fühle mich bewegt, geschaukelt. Das Auf und Ab beschützt. Genieße, lege mich auf den Rücken, lasse mich treiben mit Blick in den Himmel. Zwei Möwen tanzen im Tandemflug, bezaubern durch Pirouetten und Sturzflüge, bewegungsloses Gleiten. Pure Freude am Leben. Eine Welle schwappt, schließe meine Augen, gebe mich hin. Gehe unter und halte mein Denken an. Verliere mich im Wasser, mein Atem steht still. Übergebe mich den Wogen, gefüllt mit Glück und Freiheit. Das Außen verschwindet. Ergieße mich ins Meer und schwebe fort in das Nichts. © Juli Norden

Weitere Verknappung – so findet sich die Perle im Text

Einhundert Worte, gut. Die Aussage meines Textes steht, ich könnte das Drabble jetzt so stehen lassen und wäre schon halbwegs zufrieden. Weil ich jedoch Freude am Verdichten haben, am Kürzen und Experimentieren, stelle ich den mit mir Schreibenden eine letzte Aufgabe. Wie eine Perle auch nicht direkt beim Öffnen der Schale ins Auge springt, verträgt mein Drabble eine weitere Textüberarbeitung. Die Herausforderung besteht nun darin, auf weitere 80 Wörter zu verzichten. Worin besteht die Kernaussage, die Perle meines Textes? Welche maximal 20 Wörter können transportieren, was ich sagen will?

Wer mich kennt weiß, was jetzt kommt: ein Zeilenbruch 🙂 Meine Anleitung dazu findest du ebenfalls in einem separaten Blogartikel hier auf meinem Blog. Ich beschränke mich jedoch an dieser Stelle auf das Einfügen meiner persönlichen Perle, die sich für mich wie folgt herausgeschält hat:

Gedicht „Wellen“ wie immer als künstlerischer Text von mir unter Pseudonym Juli Norden veröffentlicht 🙂

Das Spiel mit Worten steckt voller Überraschungen. Spontane Einfälle, bewusste Wortwahl, konzentrierte Textüberarbeitung und auch einmal alle Fünfe gerade sein lassen. KREatives Schreiben ist Herausforderung, Entspannung und Unterhaltung in einem. Zumindest für mich 🙂

Möchtest auch du dich mit meiner Anleitung einmal darin ausprobieren? Dann kannst du auf zweierlei Weise damit anfangen:

  1. Abonniere mein Null-Euro-Angebot „7in7, das dich per E-Mail-Sequenz sieben Tage hintereinander mit einem frischen Schreibimpuls versieht. Täglich neu direkt in dein E-Mail-Postfach.
  2. Melde dich für den nächsten Online-Kurs KREativ mit Gabi – Schreib dich frei in 6 Wochen, der nächste Kurs beginnt am 03.04.25 🙂 Erlebe die Motivation und Inspiration einer Schreibgruppe, die regelmäßig zusammenfindet und wöchentlich neue Impulse erhält.

Und wenn du einfach so mit mir in Kontakt bleiben möchtest, kannst du dich gerne auch nur für meinen Newsletter anmelden. Über den informiere ich in unregelmäßigem Abstand über Dies und Das, eben alle, was bei mir so los ist.

Abonniere meinen Newsletter

… so bleibst du immer auf dem Laufenden!

Frau vor Efeuwand schaut durch das Fingerloch ihrer rechten Hand und lächelt

Ich freue mich darauf, mit dir in den Austausch zu gehen!

Mit KREativem Gruß

Gabi


Lächelnde Frau vor Efeu-Wand mit einem Notizbuch in der Hand, darauf der Claim "Liebe, die durch Worte strahlt"

Gabi Kremeskötter

Liebe, die durch Worte strahlt

Freie Rede – Schreibworkshops – Lektorat


4 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert