In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal einen Adventskalender als E-Mail-Sequenz herausgegeben und ich darf sagen: 93 Teilnehmer:innen sprechen für sich, ich bin begeistert! Viele von ihnen haben noch nie ein Gedicht geschrieben, in manchen Impulsen habe ich die eine oder andere Gedichtform vorgeschlagen. Dabei kam diese Frage auf: Punkt und Komma bei Gedichten? Und wie ist das mit der Groß- und Kleinschreibung? Gilt das volle Regelwerk der Grammatik auch für Gedichte? Um hier einmal Klarheit zu schaffen, widme ich diesen Beitrag genau diesen Fragen 🙂
Ich brenne für moderne Lyrik, habe schon viele verschiedene Gedichtformen ausprobiert und einige davon sind zu meinen Lieblingstextarten geworden. Dazu gehören der Zeilenbruch, das Elfchen, Haiku in allen Variationen sowie auch Rubai und Sonett. Doch egal welches Gedicht am Ende entsteht, ich mich freiwillig einem gewissen Silben-, Wort-, Zeilen- oder Reimschema anpasse, eines ist stets meine eigene Entscheidung: Wie gehe ich bei Gedichten mit Rechtschreibung und Grammatik um?
Punkt und Komma – die Interpunktion bei Gedichten
Die Interpunktion bei Gedichten ist reine Geschmackssache! Gedichte sind experimentelle, sehr individuell verdichtete Texte. Die Autorin, der Autor entscheidet selbst, was er/sie aussagen möchte und vor allem wie. Das WIE stellt die künstlerische Freiheit dar, die alle Autor:innen für sich beanspruchen dürfen. Im Gegensatz zu Fließtexten (Prosa) wie z. B. in Sachtexten oder Romanen erwarten die Leser:innen bei Gedichten KEINE den anerkannten Zeichensetzungsregeln folgenden Texte.
Kurzum: Ich persönlich verzichte auf Punkt und Komma, egal welcher Schreibart. Einzig ein ! oder ?, auch ein : kommt manchmal vor, um zusätzlich zu meiner Wortwahl Inhalte noch mehr zu betonen. Grammatik im Sinne von Interpunktion hin und her, für meine Gedichte liebe ich die Freiheit, mir die Zeichensetzung zu schenken.
Die Satzbildung bei Gedichten
Wann ist ein Gedicht ein Gedicht? Woran ist das zu erkennen? Diese Frage stellt sich bei Gedichten, die aus ganzen Sätzen bestehen und zudem formal korrekt aneinandergereiht stehen.
Sobald jedoch eine Zeile nicht voll ausgefüllt wird, der nächste Satz trotz Platz daher immer in einer eigenen neuen Zeile beginnt, deutet diese Form auf ein Gedicht hin. Vor allem, wenn der gesamte Text nur aus solchen Ein-Satz-Zeilen besteht. Unter diese Rubrik fallen z. B. Fragengedichte, die sehr oft sehr viele Zeilen enthalten, manche Sätze (Fragen) sogar mehr als eine Zeile benötigen.
Grundsätzlich jedoch zeigen viele Gedichte KEINE vollständige Satzbildung, bestehen nicht aus der klassischen Folge von Subjekt, Verb und Objekt. Denn gerade der Verzicht auf diese grammatikalische Vorgabe lässt Text entstehen, die dichter und reizvoller sind, weil sie mehr Interpretationsspielraum lassen. Je kürzer und knapper die Worte, desto vielsagender das „Dahinterliegende“.
Selbst wenn in lockerer Satzformation geschrieben wird, haben die Dichter:innen noch immer viel Spielraum – und ich meine das wortwörtlich als Spiel mit Worten! – um Artikel und Pronomen wegzulassen, Verformen zu verknappen und insgesamt höchst individuell mit ihrer Sprache zu spielen.
Groß- und Kleinschreibung bei Gedichten
Auch in diesem dritten Bereich sprachlicher Regeln, die für Fließtexte gelten, können Dichter:innen diese selbstbewusst ignorieren.
Großschreibung am Zeilenanfang? Brauche ich nicht beachten, es sei denn, ICH möchte das so. Für meine Gedichte habe ich entschieden, nur Namen und Orte groß zu schreiben, alles andere schreibe ich klein, auch am Satzanfang.
Verben und Hauptwörter
Sich frei machen von Punkt und Komma, Satzbau und Groß-/Kleinschreibung bedeutet schriftstellerische Freiheit pur. Natürlich kannst du auch weitere grammatikalische Regeln links liegen lassen und ein Gedicht verfassen, indem du z. B. die Regeln zu Deklination und Konjugation ignorierst. Einmal ein Gedicht schreiben, das jede Regel bricht, warum nicht? Das macht ganz bestimmt Spaß und dieser steht im Vordergrund, wenn ich in meinen Schreibkursen ein Gedicht vorschlage.
Möchtest du jedoch trotz der Knappheit der verwendeten Worte VERSTANDEN werden, rate ich dir, die Hauptwörter und Verben regelkonform zu verwenden. Nur dann kann deine tiefere Aussage auch richtig verstanden werden. Denn egal wie frei du dich ausdrückst, in dem Moment, wo du dein Textwerk jemandem zu lesen gibst oder es vorträgst, möchtest du eine Beziehung aufbauen.
Damit deine Aussage, der Inhalt beim Gegenüber ankommt. Machst du ihm das schwer, wird er die Lust weiterzulesen vielleicht verlieren, kommst du ihm mit leicht verständlicher Sprache entgegen, wird sich eine Verbindung aufbauen können. In dieser Hinsicht wird sich die Anwendung der Grammatik auf deine Gedichte nur positiv auswirken.
Als Dozentin für KREatives Schreiben führe ich leicht verständlich in die unterschiedlichsten Textformen – Lyrik und Prosa – ein. Hast du Lust, mehr von mir zu lesen oder mit mir in Kontakt zu treten? Der einfachste Weg ist sicherlich die Registrierung für meinen Newsletter, dann bist du stets auf dem Laufenden 🙂
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Meine Meinung zu Punkt, Komma & Co.
Zusammengefasst antworte ich meinen Teilnehmer:innen auf ihre Frage nach dem Richtig- und Falschschreiben bei Gedichten dieses:
- Zeichensetzung: Vergiss Punkt und Komma, es sei denn, du möchtest etwas besonders betonen. Deine Texte wirken freier und individueller, wenn du sie ohne Zeichensetzung präsentierst.
- Groß- und Kleinschreibung: Entscheide dich dafür oder dagegen, und folge dieser Entscheidung konsequent! Entweder IMMER am Zeilenanfang groß oder NIE, entweder alles klein oder zumindest Orte und Namen. Dein Schreibstil ist dein Markenzeichen, das sich durchziehen sollte durch alle Gedichte, die du schreibst.
- Verben und Hauptwörter: Konjugiere und dekliniere regelkonform, dadurch kannst du Pronomen oft weglassen, weil das lyrische Ich erkennbar bleibt.
Gedichte verfassen ist für mich tägliche Freude. Ein Tag, an dem ich keinen Begriff wähle, um darüber einen kurzen Text zu schreiben, ist ein seltsamer Tag. Ich liebe die bewusste Konzentration auf DAS richtige Wort, DEN richtigen Teilsatz, DAS besondere Verb. Ist Ruheinsel und Ort höchster Ichbezogenheit, den ich mir selbst schaffe. Und so nehme ich mir die Zeit täglich und dichte. Einen monatlichen Auszug meiner Gedichte findest du übrigens auch auf meinem Blog in der Kategorie Autorin. Vielleicht schaust du mal hinein?
Und du? Hast du auch schon einmal ein Gedicht geschrieben? Probiere dich aus und ich bin sicher, auch du wirst eine Ausdrucksform zum reinen Fließtext finden, der dir Spaß macht. Die anzuwendende Grammatik kannst du dabei getrost für deine Gedichte auf ein Mindestmaß an Regelwerk beschränken.
Mit KREativen Grüßen Juli aka Gabi 🙂
Gabi Kremeskötter
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