Die Haare sind ab

Veröffentlicht am Kategorisiert in Autorin Juli Norden, Persönliches
Lange Haare auf einem Tisch

Was soll ich lange drum herum reden, sie sind ab. Meine langen Haare sind ab. Kurzentschlossen, nachdem mir dann doch das Eine und Andere echt nervig haarig war!
Ich trage lange Haare seit mehr als fünfundzwanzig Jahren. Seit meine zwei Kinder aufhörten, auf dem Arm getragen, ständig an ihnen zu ziehen. Ich ließ sie wachsen. Weil ich das schön fand. Vor allem aber faul war. Jeden Monat einmal zum Friseur zum Nachschneiden? Keine Lust, keinen Nerv dazu. Warum auch, lange Haare sind. Sind einfach. Nur da und wachsen. Kann Frau in einen Zopf verwandeln. Oder hochstecken, oder fließend über den Rücken wallen lassen. Wenn sie lang genug sind. Und ja: lang waren meine. Bis zuletzt. Sogar richtig lang. Fast bis zum Poppes.

Und nun: ab. Ratzefatz ab. Das ging schneller, als ich dachte! Bin ich doch zu spontan gewesen? Dieser vielleicht erstrebenswerten, aber womöglich auch fatalen Eingebung zu schnell gefolgt? Stur war ich schon immer. Als Widder kein Wunder. Was einmal in meinem Kopf steckt, will durchgesetzt werden. Auch wenn es weh tut. Tut mir mein kurzer Haarschopf nun weh?
Nein! Ich habe mir gute Gründe ins Feld geführt. Vor allem im Nachhinein:

  • Sie haben genervt.
  • Waren ständig im Weg.
  • Flatterten bei Wind in mein Gesicht.
  • Verfingen sich hinter meiner Brille.
  • Flogen in meinen Mund.
  • Pieksten mich im Auge.

Am allerschlimmsten jedoch, und das mag final der ausschlaggebende Punkt gewesen sein: ich bin faul. Das Durchkämmen nach dem Haarewaschen: eine elendig lange Prozedur. Von wegen in zwanzig Minuten frisch aus dem Bad kommen. Mit meiner Haarpracht unmöglich. Mindestens doppelt so lang mein Zeitaufwand, um nach dem Shamponieren die Spülung einwirken und auswaschen zu müssen. Das Schlimmste aber das Auskämmen. Vorne links und rechts hatte ich graue Strähnen. Und wer graue Haare hat, der weiß: sie werden strohig, widerspenstig, verknoten viel leichter. Und da musste ich mit meiner Bürste durch. Einmal, zweimal, zehnmal, immer wieder, bis auch der letzte Knoten raus war. Das hat echt genervt!

Kam sogar vor, dass ich das Haarewaschen nur deshalb tagelang hinausgezögert habe, um dem nervigen Zeitaufwand aus dem Wege zu gehen! Und nun kommt schließlich der Frühling und mit ihm die wärmeren Temperaturen. Gar nicht auszudenken, wieviel Zeit ich allein durch den vermehrten Schweißausbruch meiner Kopfhaut mit der Haarbürste in der Hand im Bad verbringen müsste.

Nun könntest du einwenden, dass ich damit schließlich schon seit Jahren lebe. Mit dem Aufwand und der wohl oder übel akzeptierten Gewohnheit, mir für meine Haarpflege die nötige Zeit einräumen zu müssen. Nun kam jedoch ein weiterer, sehr gewichtiger Grund hinzu, ich könnte ihn auch „Zufall“ nennen.

Bist du schon einmal gefangen gewesen? Von einem Gegenstand eingesogen und aufgewickelt? Nicht? Sei froh, denn das ist echt sch…! Sch… für schmerzhaft! Mir passiert, weil ich neugierig war. Warum bin ich auch immer so neugierig!
Jedenfalls, um es kurz zu machen, sicher willst du wissen, wie die Geschichte weiter-, bzw. ausgeht. Diese mir passierte, wörtlich genommene „an-den-Haaren-herbeigezogene Geschichte“:

Dicke Betonkanalrohre in einer Baustelle
Dicke Betonrohre, mehr als fünfzig Jahre alt hier in der Altstadt von Traben

Vor meiner Haustür wird momentan gebuddelt. Mit richtig großen Baggern und sonstigen Krachmachmaschinen. Und ich Neugierig-Hexe muss das inspizieren. Als der nette Handwerker mit der Flex die Betonwände des alten Kanals zersägt. Weil der weg muss, der Kanal. Ein neuer, mehr als vier einhalb Meter tief, wird hier in der Altstadt eingebaut. Und weil die Flex das gut hinbekommen hat, will ich auch mal. Erinnere mich an meine Umbauzeit hier im Haus (siehe mein Buch: Zweihundertneunzehnquadratmeter Glück!, aber das führt dann doch zu weit an dieser Stelle).

Also weiter im Text. Ich zum Bauarbeiter: „Darf ich auch mal?“ Er schaut mich fragend an, meint: „Echt?“ Ich erwidere freudig nickend: „Nur einmal kurz, das kracht so schön!“ Und schon habe ich das Gerät in meinen Händen. Stehe fest in meinen rustikalen Wanderschuhen auf dem Matsche-Pampeboden, bekomme sogar noch seine Schutzbrille und lege los. Die Maschine kreischt ,sie rüttelt und flext. Ich bin voll bei der Sache, halte und vibriere. Alles gut, macht Spaß!

Und dann ein Windstoß. Die Gasse hoch von der Mosel durch die schmale Häuserreihe. Er erfasst meinen Zopf, wirbelt, reißt und ruckt. Mein Zopfband löst sich, fällt runter und um mich herum ein fast siebzig Zentimeter langer Haarwirbel. Vor Schreck fuchtele ich mit der Flex vor meinem Gesicht herum. Die freut das, schnappt sich eine Strähne, oder zwei und drei?
Keine Ahnung, das alles ging furchbar schnell und der Zugriff des Handwerkers konnte auch nur noch den Notaus-Schalter drücken. Sehe mich dank meiner Haare gefangen im Getriebe der Maschine. Ein scharfer Schmerz zieht über meinen Schädel und brennt sich fest. Kein Wunder, hängen ja auch mehr als sieben Kilo Profimaschine an meiner Kopfhaut.

Und nun? Männer umringen mich, sehen mich ratlos an. Schütteln den Kopf, als ich sie bitte, die Strähnen vorsichtig herauszuwickeln. Aber klar: keine Chance. Die Haare haben sich fest geschmurgelt, lecker riecht das nicht. Ich also mit der Maschine am Kopf zum Friseur direkt hier in meiner Nachbarschaft, als er mich reinkommen sieht, habe ich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden. So was hat wohl noch keiner gesehen.

Er weist mir einen Stuhl, ich nehme das Schätzchen auf meinen Schoß und schaue ihm im Spiegel ins Gesicht. Er muss mich gar nicht fragen, ich weiß das schon: Keine Chance. Einziger Ausweg: ab. Ab das Ganze, denn wer will schon wie eine Flusenhexe rumlaufen? Ich nicht. Auf gar keinen Fall.

Und ja. Nun sind sie ab, ich habe nur noch eine kurze Mähne und fange wieder von vorne an. Hat ja nur zwanzig Jahre gedauert und in fünf oder sechs Jahren werden sie schon nachgewachsen sein. Bis dahin trage ich selbstbewußt meinen ungeplanten, neuen Look und freue mich über jede Menge neu gewonnene Zeit.

Wie ich nun aussehe? Das traue ich mich tatsächlich noch nicht zu zeigen, ist schon ein wenig schockierend, wenn man mich so sieht. Schließlich waren meine langen schönen grau-melierten Haare jahrelang mein Marken- und Erkennungszeichen. Fürs Motorradfahren gut und fest eingeflochten, damit sie durch den Fahrtwind keine Knoten bilden. Hat immer gut funktioniert. Muss mir nun was neues ausdenken, wenn die kurzen Ende unter dem Helm rausschauen.

Muss also in Zukunft noch stärker durch mein Inneres beeindrucken bzw. das, was ich auf dem Kasten, äh, IM Kopf habe und nicht mehr oben drauf. Was meinst du, wird mir das gelingen?

Und weil ich mich wirklich mochte mit langen Haaren, hier noch einmal ein Rückblick: Das waren sie, meine Haare Mitte Januar, ich mochte sie wirklich sehr, trotz aller Widrigkeiten, die ich eingangs erwähnte!

Frau mit langen Haaren schaut über ein Tal
Meine Haare Mitte Januar

Und wer bis hier gelesen hat, mag sich über meine Paddeligkeit herrlich amüsiert haben, über meine Naivität und die Verantwortungslosigkeit des Bauarbeiters, mir einfach so ein Höllengerät überlassen zu haben. Mir egal. Ihm auch. Und mein guter Kumpel hat allemal Spaß gehabt, als ich ihn bat, irgendwie ein Foto zu schießen von meinen langen Haaren, als Haarberg inszeniert.

Denn: APRIL, APRIL!! Natürlich habe ich meine Haare noch! Nach wie vor in den Rücken hinunterfallender Länge 🙂

Mir hat´s Spaß gemacht, diese Geschichte zu schreiben, dich hoffentlich gelungen in den April geschickt zu haben. Ist mir das gelungen? Hab ich dich erwischt und du hast mir mein Erlebnis geglaubt?
Dann hinterlass mir einen Kommentar und wir lachen zusammen:-)

Viele, liebe Grüße

deine Juli (denn Geschichten ausdenken ist klar meinem Autorin-Sein zugeordnet:-)

Frau mit Daumen hoch vor einem Bagger in einer Baustelle
ALLES GUT auf der Baustelle 🙂

25 Kommentare

  1. Ich habe gelesen, habe gezweifelt, habe den Kopf geschüttelt, habe geweint, habe mich im April wiedergefunden den. Erleichtert.
    Denn Deine Haare sind wunderschön.
    Aber eins dazugelernt: Also doch eine Hexe. 😜 Ahnte ich es doch vom ersten Augenblick.

  2. Wunderschön witzige Story 👍 😂🤣🤣😂
    Bin Dir voll auf den Leim gegangen und hatte schon ein schlechtes Gewissen, gestern Abend nichts bemerkt zu haben 😅

  3. Hallo Gabi, die Geschichte war glaubhaft 😂, finds klasse dass Du Deine langen Haare noch hast. Aber manchmal ist so eine Veränderung vielleicht auch ganz praktisch und erleichtert uns den Alltag. Die Haare müssen ja nicht ganz kurz sein. Mich hat es jedenfalls ermutigt, meine langen Haare etwas zu kürzen und ein paar kleine positive Veränderungen machen zu lassen. 😊 Was dann so aussieht: Etwas Grundlänge zu kürzen und vorne ganz kleine Stufen. Das ist wie gesagt nun mein persönlicher Vorsatz. Nun muss ich diesen nur noch umsetzen. Werde Dir berichten. Finde Deine Schreibweise toll und lese immer gerne Deine Geschichten. Vielleicht klappt es ja mal wieder dass wir zusammen Motorrad fahren. Kann dieses Jahr leider nicht mit IfRD. LG Simone Lohmann

    1. Liebe Simone,
      Herzlichen Dank für deine Nachricht, freue mich über diese Schiene wieder mit dir in Kontakt zu kommen 👍
      Ich warte auf den Frühling, damit meine Schwarz-Gelbe endlich wieder Asphalt unter die Räder bekommt😀
      DLzG
      Gabi

  4. Huhu liebe Gabi ich habe es dir nicht geglaubt da du von Mitte Januar gesprochen hast und ich habe dich gestern Abend gesehen auf Rosemarie Lesung in voller hasarpracht lg anke

  5. Hallo Gabi, ich habe ein wenig gezweifelt, aber bin dir dennoch auf den Leim gegangen🤣Eine tolle Geschichte😊 Seit meiner Scheidung 1987 habe ich eine Kurzhaarfrisur.Sehr praktisch…vor allem, als ich wegen einer Chemotherapie 2009 die auch noch verloren habe. Nun trage ich meine Kurzhaarfrisur in strahlendem naturgrau, statt gefärbtem rot und bin froh, wenig Arbeit damit zu haben.

    1. Hallo liebe Birgit,
      danke für dein „mir auf den Leim gehen“, lach… ich hatte solch einen Spaß beim Schreiben und willkommen im Club: Du warst nicht die einzige;-)
      Früher trug ich auch kurz, allerdings freiwillig, ich bin froh, dass du deine Therapie gut durchgestanden hast:-)
      Und das haben wir gemeinsam: Wir stehen zu unserem Naturgrau:-! Top!
      Gruß Gabi

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