Kunst kostenlos? Ich sage nein!

Veröffentlicht am Kategorisiert in Autorin Juli Norden
Autorin liest aus ihrem Buch
Nach dreijähriger Lernkurve: Lesung mit Honorar im Cusanus-Geburtshaus in Bernkastel-Kues am 01.07.22

Genau, ich sage nein. Knallhart und mit voller Inbrunst. Kunst ist Mehrwert. Kunst schenkt Inspiration, Auseinandersetzung und Unterhaltung. Kunst ist echte Vielfalt und ohne sie wäre unser Leben farblos, langweilig und beängstigend still. Kunst darf nicht als kostenloses Gut betrachtet und behandelt werden.

Was ist Kunst?

Natürlich darf über Kunst gestritten werden! Was Kunst ist, was sie einem wert ist, wird jede Betrachterin, jeder Rezipient anders beurteilen. Und das ist gut so! Denn sie birgt jede Menge Diskussionsstoff, unbekannte Themen und Auslegungen. Schafft Genuß oder Nutzen, Sinnhaftigkeit oder Kopfschütteln. Doch sie ist wesentlicher Teil unserer Welt. Gerade die Anregung zur Auseinandersetzung macht sie so spannend.

Ich bin keine Malerin oder Bildhauerin, auch musizieren ist nicht mein Metier. Ich schreibe. Rede. Lese. Wer mich schon etwas länger kennt, weiß um mein Thema:

Sprache als Brücke: Vom Ich, zum Du und Wir.

(C) Gabi Kremeskötter

Meine Lernkurve als Autorin

Am Anfang meines Autorinnen-Daseins war ich froh über jede Möglichkeit der Veröffentlichung. Des Gelesen- und Gehörtwerdens. Ich war eine echte Newbie mit null Komma null Ahnung, wie ich mich präsentieren darf und soll und muss. Natürlich habe ich Klinken geputzt, E-Mails geschrieben, Telefonate geführt mit möglichen Veranstaltern, um mein 2019 veröffentlichtes Buch Zweihunderrneunzehn Quadratmeter Glück! vorstellen zu dürfen. Geschrieben unter Pseudonym Juli Norden, weil ich nicht NUR als Autorin gesehen werden möchte.

Und ja: ich gestehe, auch ich habe in den ersten zwei Jahren ausschließlich KOSTENLOS gelesen. Aus meinem Buch gelesen und am Ende mich über einige wenige Buchverkäufe gefreut. Die Bücher hatte ich vorher selbst von meinem Verlag erworben. Zwar mit einem kleinen Autorinnenrabatt, doch wer etwas rechnen kann, kommt schnell dahinter, dass durch den Verkauf von vielleicht fünfzehn Büchern noch nicht einmal ein Fuffi zusammenkommt. Das das nicht kostendeckend sein kann, wenn die Vorbereitung einer 90minütigen Lesung, die Fahrtkosten und die Lesung an sich gerechnet werden, dürfte jedem klar sein.

Natürlich ist eine Buchveröffentlichung auch eine Herzensangelegenheit, die große Eigeninitiative und eigenes Wünschen beinhaltet. Doch darf deshalb erwartet werden, nur weil ich etwas gern tue, etwas gut mache, ich Freude dabei empfinde, dieser „Output“, diese Leistung KOSTENLOS ist? Nein. Ich sage nein und nochmals nein. Den Anfangsfehler, DANKBAR zu sein und das „für umsonst“, wenn ich die Möglichkeit einer Lesung erhielt, mache ich nicht wieder.

Werbung und Verkauf

Werbung gehört zum Verkaufen dazu. Ganz klar. Werbung muss sein, sonst erfährt niemand, was ich vorzutragen und anzubieten habe. Logisch. Doch Werbung als rein kostenlose Darbietung zu betrachten, ist Geringschätzung pur. „Niemand weiß, ob ihm dein Buch gefällt! Warum sollte er im Vorfeld dafür bezahlen?“, habe ich anfangs gehört. Und „Dich kennt doch niemand, sei froh, dass du überhaupt die Möglichkeit hast, dich vorzustellen!“ Diese Argumentation konnte ich zunächst nicht entkräften. Mir fehlte Selbstvertrauen. Dass ich gut bin. Dass mein Buch gut ist. Dass ich etwas wert bin und damit meine Texte auch.

Dieses Selbstbewußtsein hat sich erst in den Jahren danach eingestellt. Weil ich verstanden habe, dass ich selbst mir den Wert beimessen muss, den ich von der Öffentlichkeit erwarte. Ist sie nicht bereit, ihn mir zu zahlen, verzichte ich. Mache mit meiner Zeit etwas anderes. Suche mir andere Projekte, die mir ohne hartes Ringen die Anerkennung freiwillig zuteil werden lassen, die ich für mein Schaffen verdiene.

Ich bin keine Bestseller-Autorin, bei weitem nicht, werde das aus heutiger Sicht auch niemals werden. Doch ich kenne meinen Wert inzwischen und der ist definitiv weit über der kostenlosen Null. Und wer Statistiken bemühen will: gewisse Quellen weisen nach, dass je teurer ein Auto, eine Armbanduhr, ein Speiselokal ist, desto mehr Menschen sich das Produkt wünschen und tatsächlich auch leisten.

Signierstunde: Bücher verkaufen und signieren. Highlight und Abschluss einer erfolgreichen Lesung.

Mein Nein zur kostenlosen künstlerischen Darbietung

Darum sage ich nein zur kostenlosen künstlerischen Darbietung (auch für Erstlingswerke)! Denn auch dies möchte ich in meinen Protestartikel noch einfließen lassen: irgendwem nützt der Usus, Neulinge aufgrund ihrer Unwissenheit honorarlos zu halten. Zum Beispiel der Buchhandlung, die sämtliche vorhandenen Ausgaben der Neuerscheinung über den eigenen Ladentisch verkaufen kann, weil die Autorin persönlich den Büchertisch betreut und die Bücher signiert. Als Dank für ihren Sechs-Stunden-Einsatz speist die Buchhandlung die Autorin mit einer Ein-Euro-Primel ab, die zudem als Tagesdekoration im Eingangsbereich ihren Dienst doppelt geleistet hat. Ich frage hier: wer hat da wen ausgenutzt? Wer würde im Ernst annehmen, dass die Autorin da nicht etwas mehr Anerkennung hätte erwarten dürfen?

Oder die Lesung, für die die Autorin viele Kilometer in eine Location eingeladen wird, der Veranstalter jedoch vollkommen überzogene Publikumserwartungen geschürt und prospektiert hat. Die Lesung selbst jedoch ausschließlich von mit der Autorin befreundeten Personen besucht wird und er das am Wetter und der Uhrzeit festmacht. Daher kein Honorar zahlen kann mangels Eintrittsgeldern, aber immerhin das Wasser und den Kaffee zahlt. Wer nochmal, hatte die Veranstaltung organisiert und ist verantwortlich? Auch hier wurde das Risiko abgewälzt auf die Künstlerin, deren Naivität und Unwissenheit mit ihrem Erstlingswerk wissentlich ausgenutzt wurde.

Mein Büchertisch in einer Buchhandlung 2020. Gute Gespräche und eine Autorin zum Anfassen. Wert: eine Primel!

Ich bin sicher, jeder, der künstlerisch tätig ist, hat solche Erfahrungen machen müssen. Und ist hoffentlich nach kurzer Zeit wie ich dort angekommen zu sagen: Einmal, okay. Zweimal, naja, ein drittes Mal: nicht wieder!

Mein Rat und Aufruf

Darum rate ich allen Kunstschaffenden: macht euch stark für eure Leistung. Haltet eure Kreativität und Besonderheit wie einen Schutzschild vor euch, wenn wieder jemand euch ausstellen, eine Lesung und oder Signierstunde veranstalten möchte ohne jegliches Honorar anzubieten. Sagt nein dazu. Denn euer Wert besteht nicht nur im fertigen Produkt, das vorgestellt und verkauft wird, sondern auch in eurer Zeit der Präsentation. Das ist Unterhaltung. Und Unterhaltung hat ihren Wert.

Oder würde irgendjemand jemals erwarten, ein Kino kostenlos betreten zu dürfen, nach dem Motto: ich weiß doch nicht, ob mir der Film überhaupt gefällt?

Das heißt natürlich nicht, dass ich kostenlosen Eintritt für eine Veranstaltung jedweder Art verneine, doch dann sollte zumindest der Veranstalter für eine angemessene Honorierung des Kunstschaffenden sorgen. Über die Höhe darf verhandelt werden, keine Frage:-)

Wie siehst du das? Hast du auch schon einmal deine Kunst kostenlos angeboten und hattest hinterher das Gefühl, fair und wertschätzend behandelt worden zu sein?
Ich freue mich auf eine kontroverse Auseinandersetzung mit diesem Thema und wünsche mir sehr, dass wir mehr werden, die für ihre wertvolle, kreativ-künstlerische Arbeit ein angemessenes Honorar erhalten. Und zwar in Euro oder der Währung eigener Wahl, die jedoch monetär nutzbar ist und nicht nur einem Danke und einer Primel, einem Heiß- oder Kaltgetränk entspricht.

So, das musste ich mal loswerden.

Eure Gabi.


7 Kommentare

  1. Total spannender Artikel. Werde ihn gleich an meine Autor:innenfreunde weiter verlinken. Du hast so recht. Es ist aber auch in anderen Berufen so, z.B. bei Vorträgen, die man hält mit unendlich viel Vorbereitungszeit…

    1. Liebe Gudrun,
      herzlichen Dank für deine Nachricht! Super mit dem Verlinken! Das Bewußtsein für angemessene Entlohnung können nur wir wecken mit unserem eigenen Anspruch. Viel Erfolg bei eurem Schreiben,
      viele Grüße
      Gabi

  2. Inhaltlich pure Zustimmung und kenne ich natürlich auch. Entweder umsonst gesungen – besonders gern bei der Kirche – oder zu absoluten Dumping Preisen.

    Die Beispiele sind super, sehr bildhaft. Auch das Bild mit dir und der Primel. Super. Für eine Primel oder einen Kaffee zu lesen oder zu verkaufen ist einfach eine Unverschämtheit. Punkt. Ende der Durchsage.
    Ich habe deinen Artikel echt gern gelesen und mich gleich mit aufgeregt 😅

    1. Danke Hilkea, je mehr Menschen sich mit aufregen, umso eher geht unser Ansinnen in die Erwartungshaltung anderer ein!
      Freu mich, dass du ins gleiche Horn bläst👏
      Gruß Gabi

  3. Oh, als Fotografin kenne ich das nur zu gut. Sehr häufig ist vielen Leuten gar nicht bewusst, wie viel Arbeit hinter der Tätigkeit steckt („Du drückst doch nur einen Knopf!“) und werten das komplett ab. Das wird dann natürlich auch noch durch die „Billig“-Anbieter unterstützt.

    Ich habe mich dazu entschieden, grundsätzlich immer den Wert meiner Arbeit und den Produkten die ich anbiete zu nennen. Auch wenn ich z.B. mal eine Fotosession verschenke. Dadurch möchte ich gerne ein Bewusstsein dafür schaffen, dass dieser Service einen entsprechenden Preis hat. Und diese Leute können das dann weitertragen.

    1. Hallo Rebecca,
      danke für deinen Kommentar! Wir Kreativen tun gut daran, unseren Wert für unsere KundInnen transparent, deutlich und klar darzustellen.
      Ich freue mich, dich mit im Boot zu wissen!
      Liebe Grüße,
      Gabi

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