Was bedeutet Show, don´t tell

Veröffentlicht am Kategorisiert in Korrektorat und Lektorat, Kreatives Schreiben
Hand einer Person mit lackierten Fingernägeln schreibt mit einem gelben Kugelschreiber in ein Notizbuch

Wer schreibt und eigene Texte analysiert und verbessern möchte, wird früher oder später mit diesem englischen Satz konfrontiert: Show, don´t tell. „Zeige, erzähle nicht.“ Aha. Und was, bitte schön, bedeutet das?

In meinem Glossar zum Kreativen Schreiben habe ich das in Kurzform bereits beantwortet:

Show, don’t tell ist eine Schreibtechnik, die Autoren dazu ermutigt, Ereignisse, Charaktere und Emotionen durch konkrete, sinnliche Details zu vermitteln, anstatt sie einfach zu beschreiben oder zu erklären. Anstatt zu sagen, dass ein Charakter traurig ist, sollten Autoren versuchen, die Körpersprache, die Mimik und die Handlungen des Charakters zu beschreiben, um die Traurigkeit zu zeigen. Durch das Zeigen können Leserinnen und Leser selbst Schlüsse ziehen und in die Handlung eintauchen, anstatt passiv Informationen aufzunehmen. Show, don’t tell kann in verschiedenen Schreibgenres angewendet werden, von Romanen und Kurzgeschichten bis hin zu Drehbüchern und Gedichten.

https://www.gabi-kremeskoetter.de/blog/2023/04/19/glossar-kreatives-schreiben/#Show_dont_tell

In meinem nachfolgenden Artikel erkläre ich anhand von Beispielen den Zusammenhang genauer.

Schreiben ist nicht einfach schreiben

Schreibende erzählen Geschichten, soviel steht fest. Doch wer meint, jeder, der Schreiben gelernt hat, kann auch erzählen, macht sich die Sache zu einfach. Wer schreibt, will gelesen werden – zumindest wenn er oder sie die eigenen Texte anderen zu lesen gibt. Und damit das Lesen ein Erlebnis wird, packt und fesselt, Spannung erzeugt und Neugierde auf das, was noch kommt, weckt, ist entscheidend, WIE erzählt wird.

Denn Schreiben ist nicht einfach schreiben. Zumindest nicht GUTES Schreiben, so wie ich das verstehe (und ich als Korrektorin und Lektorin sowie als Dozentin für Kreatives Schreiben weitertrage). Das Prädikat GUT verdient sich jene Autorin und der Schriftsteller, wenn sie ihre Geschichten der Leserschaft abwechslungsreich und pointiert präsentieren.

Show, don´t tell

Eine Facette, gut zu schreiben, versteckt sich hinter der Aufforderung Show, don´t tell – Zeige, erzähle nicht. Durch ihr Schreiben erzeugt die Autorin Bilder im Kopf ihrer Leserschaft. Eine zu formulierende Szene findet zum Beispiel auf einer sommerlichen Blumenwiese statt. Wie bekommt der Autor den Ort (das Setting), die Personen (Protagonisten) und die reine Handlung mit Worten so zu seiner Leserschaft transportiert, dass diese gut informiert, aber beim Lesen auch emotional mitgerissen wird? Lesende wollen sich außer dem reinen Nachvollziehen-Können ebenso wiederfinden im Text, sich identifizieren. Show don´t tell ist eine Schreibtechnik, die das unterstützt.

Was tell bedeutet beim Schreiben

Tell ist der englische Ausdruck für erzählen. Im Grunde steht er für beschreibendes Erzählen, wie z. B.:

Die Blumenwiese erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Die bunten Blüten der Wiesenkräuter standen so eng beieinander, dass sie einzeln nicht unterscheidbar waren. Bunte Blumenpunkte wechselten sich mit Grüntönen ab, ein leichter Wind bewegte die Pflanzenstengel hin und her. Am blauen Himmel zogen weiße Wolken, die Sonne strahlte hell und wärmend zwischen ihnen hindurch. Elena streckte ihre Hand aus und strich tastend über die gelb-weißen Blüten, die direkt an den Wiesenweg grenzten. Sie kitzelten an ihrer Handinnenfläche und als sie die Finger vor ihre Nase hielt, atmete sie den zarten Duft von Kamille ein und lächelte.

Der Text erzeugt das Bild einer Wiese im Kopf des Lesenden, die wenigen Details reichen, um eine Vorstellung der Situation zu erzeugen. Dinge, die nicht beschrieben sind, z. B. wie Elena aussieht, wird die Lesende aus eigener Fantasie ergänzen, was vom Autor gewollt und normal ist beim Leseprozeß.

Diese Situationsbeschreibung ist also tell, eine auf meist optische und sachliche Details beschränkte Wiedergabe.

Auch eignet sich tell sehr gut, um Übergänge zwischen unterschiedlichen Zeitebenen und Kapiteln zu schildern. Das macht den Lesenden die Nachvollziehbarkeit leichter, hierfür müssen die Informationen eindeutig, klar und präzise sein.

Was show bedeutet beim Schreiben

Show ist der englische Ausdruck für „zeigen“. Im Zusammenhang mit der stilistischen Aufforderung Show, don´t tell, ist damit gemeint, das die Autorin ihre Personen durch Handlungen erklärt und beschreibt, nicht durch reine Beobachtungen und deren bildhafte Formulierung. Insbesondere Gefühle der Protagonisten werden durch Handlungen transportiert, weniger durch beschreibendes Vokabular.

Wenn Elena z. B. beim Berühren der Blüten lächelt (tell), könnte die Autorin den letzten Halbsatz auch lauten lassen: …erinnerte sich Elena an ihre Kindheit. Wie glücklich sie die Spaziergänge mit ihrer Oma gemacht hatten. Damals, als sie die gesamten Sommerferien bei ihr verbringen durfte. Den Duft der in der Kittelschürze gesammelten Kamillenblüten hatte sie nicht vergessen. Das zarte Aroma war seitdem verbunden mit Sommer, Wärme und der Liebe in den Augen ihrer Großmutter.

Durch diese Erzählweise erfährt der Lesende viel mehr über Elena, wird Teil ihrer Erinnerung und kann sich besser mit der Protagonistin identifizieren, weil die Informationen eigene Erinnerungen provozieren und hervorholen.

Unterschied von show und tell

Show braucht mehr Wörter als tell. Eigenschaften von Personen, Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen können durch reine Tatsachen beschrieben (tell), aber auch durch die Erzählung ihrer Handlungen (show) transportiert werden. Daher ein weiteres Beispiel:

Tell: Elena war schon immer eine Tagträumerin gewesen. Ihre Mutter hatte stets ihre liebe Mühe mit der versunkenen Art der Tochter.

Show:Elena, wo steckst du nun schon wieder?“, rief ihre Mutter und betrat schnellen Schrittes den Weg. Vor ihr erstreckte sich eine blühende Sommerwiese über den Hügel. Elena nahm keine Notiz von der sich nähernden Person, sondern genoss mit geschlossenen Augen die wärmende Sonne im Gesicht. „Elena, nun reicht es aber! Komm nach Hause, das Essen steht auf dem Tisch! Du raubst mir noch den letzten Nerv!“ Bei ihrer Tochter angekommen nahm die Mutter deren Hand und zog an ihr. „Aua, du tust mir weh!“, wehrte Elena ab. „Was soll das? Was ist los?“ Völlig verständnislos blickte Elena ihre Mutter an.

Die richtige Mischung macht´s

Als Faustregel gilt: die richtige Mischung macht´s. Je ausführlicher eine Szene beschrieben wird, umso eindrucksvoller und eindeutiger kann sich der Leser etwas darunter vorstellen.

Beginne mit Tell, um nötige, einführende Informationen beschreibend zu transportieren. Fasse die Einzelheiten der Situation in Worte, notiere die Farben, Formen und Details. Diese Vorgehensweise ist sinnvoll, um die Basis einer Erzählung zu legen. Die wichtigen drei Ws sollten relativ sachlich erklärt werden: wo findet die Szene statt, wer handelt, was passiert?

Schiebe Passagen mit Show ein, um anschließend die Beziehungen zueinander, die Gefühle und Sinneseindrücke hervorzuheben. Nutze eine detailverliebtere Schreibweise, die alle fünf Sinne nutzt und animiert (auch die des Lesenden!). Die wichtigen drei Ws werden blumiger und mit persönlicheren Assoziationen durch Dialoge, geschilderte Gedanken und Handlungen der Protagonisten szenisch dargestellt.

Schlussendlich wird mit Show die Praxis bezeichnet, dem Leser durch Aktionen und Dialoge zu zeigen, was passiert, anstatt den Fortschritt der Handlung nur sachlich-beobachtend zu erklären (tell).

Haben dir meine Ausführungen weitergeholfen? Womöglich findest du auf andere Fragen weitere Antworten auf meinem Blog in der Kategorie Kreatives Schreiben. Schau dich gern weiter um! Ich freue mich über dein Interesse 🙂


Lächelnde Frau vor Efeu-Wand mit einem Notizbuch in der Hand, darauf der Claim "Liebe, die durch Worte strahlt"

Gabi Kremeskötter

Liebe, die durch Worte strahlt

Freie Rede – Schreibworkshops – Lektorat


13 Kommentare

  1. Ich habe gerade heute ein Manuskript aus einer Schublade hervorgeholt und damit begonnen, es unter „Show, don’t tell“ nochmal in Angriff zu nehmen. Dein Hinweis, dass sich beides ergänzen muss, hilft mir gerade sehr.

  2. Oh, wie sehr hätte mir dein Beitrag geholfen. Ich habe lange Zeit nicht verstanden, was mit Show, don’t tell gemeint war. Du erklärst es auf so verständliche Weise, mit anschaulichen Beispielen. Jetzt weiß ich, auf welchen Blog ich die schreibenden, jungen Menschen schicken kann, die mir in meiner Arbeit begegnen und mich fragen: „Darf ich ihnen mal meinen Text zeigen?“ Das sind dann häufig schöne Ideen im Schul-Aufsatz-Stil, mit dem Potenzial eine spannende Geschichte zu werden, wenn ich die Essenz der Geschichte schnuppern könnte. Mir fehlt es oft an der Zeit, dann ausführlich zu erklären, was sie bei dir hier nachlesen können. Herzliche Grüße Sylvia

    1. Liebe Sylvia,
      herzlichen Dank für deinen Kommentar! Dann hoffe ich mal, dass mein Beitrag ab sofort noch gaaaanz vielen weiteren Schreiberinnen und Schreibern das Verständnis für Show, don´t tell öffnet. Und ja: Her mit deinen jungen Menschen! Sie mögen meine Inhalte und Expertise gern nutzen 🙂
      Viele liebe Grüße,
      Gabi

  3. Liebe Gabi, wunderbar erklärt und da ich mich oft im Inhalt verliere und die Struktur beim Lesen vergesse, will ich jetzt mehr über Elena wissen. 🙂 Ich lese viel und habe „Show don’t tell“ noch nie gehört, aber schon oft gespürt. Manchmal geht es mir bei Sachbüchern nicht schnell genug (zu viel ’show‘?) Ich liebe es jedoch, wenn ich Geschichten lese und meine Fantasie einfach auf die Reise gehen darf, ohne Vorgaben. Das ist dann sicher ’show‘ . Ich werde mehr von dir lesen. Liebe Grüße Eva

    1. Liebe Eva,
      danke für deine Nachricht! Lach… die Elena hat es dir also angetan? Nun, dann muss ich sie bei Gelegenheit in einem meiner nächsten Erklärbeiträgen weitere Szenen erleben lassen… 🙂
      Ich freue mich, dass du dir durch meinen Artikel etwas neues erlesen hast!
      Danke auch für das Abonnement meines Newsletters 🙂
      Herzliche Grüße,
      Gabi

  4. hey gabi, spannender beitrag. ich habe diesen tipp „show, dont tell“ schon so oft gelesen, aber erst jetzt habe ich es wirklich verstanden, vor allem fand ich den hinweis sehr hilfreich, dass sich beides ergänzt! lg, iris

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