Welche Erzählzeiten werden unterschieden?

Veröffentlicht am Kategorisiert in Korrektorat und Lektorat, Kreatives Schreiben
Zwei Frauenhände auf einer Tastatur
Schreiben, schreiben, schreiben.

Egal, was du liest, jedem Text liegt eine bestimmte Erzählzeit zugrunde. Alles, was eine Geschichte transportiert, Romane, Reportagen oder z.B. Dokumentationen, wird in einen zeitlichen Kontext gelegt. Die Autorin, der Autor bestimmt diese und legt damit die Grundlage für Wirkung, Eindeutigkeit und Spannung.

Die beiden Erzählzeiten

Zwei Erzählzeiten werden unterschieden: Die Gegenwart (Präsens) und die Vergangenheit (Imperfekt).

Die einmal gewählte Erzählzeit sollte eingehalten werden, alles andere verwirrt die Lesenden. Natürlich kommt es insgesamt auf die Konstruktion des Textes an. Passagen können als Rückblick und Vorschau dienen, wörtliche Rede lockert reinen Erzählinhalt auf. Dadurch werden Geschichten abwechslungsreich und finden auf verschiedenen Ebenen, auch Zeit-Ebenen statt.

Grundsätzlich jedoch gilt: wählst du als Zeit des Geschehens die Gegenwart, etwas soll jedoch in der Vergangenheit stattfinden, schreibst du diese Passage in der Vergangenheitsform „Imperfekt“, z. B. wenn eine deiner Figuren einen Rückblick hält. Legst du andererseits die Vergangenheit als Erzählzeit fest, kann dennoch z. B. wörtliche Rede in der Gegenwarts-Zeitform „Präsens“ formuliert werden.

Dies sollte dann allerdings klar ersichtlich aus dem Kontext hervorgehen durch z. B. einleitende Worte zu solch einem Abschnitt.

Beispiel Gegenwart:

Johanna liegt im Bett und mag noch nicht aufstehen. Ihr Traum hält sie. Wieder und wieder wundert sie sich, welche Wirkung der gestrige Tag auf sie hat. „Wie konnte dir das nur passieren, dass du derart deine Fassung verloren hast?“, fragt sie sich. Das kurze Gespräch mit dem Barkeeper ist das Letzte, an das sie sich erinnern kann: „Du willst wirklich noch einen Drink? Meinst du nicht, du hast genug?“, fragte er sie.

Beispiel Vergangenheit:

Johanna lag im Bett und mochte noch nicht aufstehen. Ihr Traum hielt sie. Wieder und wieder wunderte sie sich, welche Wirkung der gestrige Tag auf sie hatte. „Wie konnte dir das nur passieren, dass du derart deine Fassung verloren hast?“, fragte sie sich. Das kurze Gespräch mit dem Barkeeper war das Letzte, an das sie sich erinnern konnte: „Du willst wirklich noch einen Drink? Meinst du nicht, du hast genug?“, hatte er sie gefragt.

Die Zeiten werden grammatikalisch unterschieden

Die Erzählzeit Gegenwart bedingt als Vergangenheitsform die Verbform Präsens und Perfekt:

  • Ich gehe – ich BIN gegangen, sprich das Hilfsverb ist Präsens!
  • Ich helfe – ich HABE geholfen, auch hier das Hilfsverb im Präsens!

Die Erzählzeit Vergangenheit bedingt als Vergangenheitsform die Verbform Imperfekt und Plusquamperfekt:

  • Ich ging – ich WAR gegangen, sprich das Hilfsverb ist Imperfekt!
  • Ich half – ich HATTE Geholfen, auch hier das Hilfsverb im Imperfekt!

Markerbegriffe für die einzelnen Erzählzeiten

Bestimmte Worte und Begriffe (Marker) deuten klar auf die gewählte Erzählzeit. Das sind

  • für die Gegenwart: z.B. heute, jetzt, hier, gerade, momentan, aktuell,
  • für die Vergangenheit: z.B. gestern, damals, ehedem, einst, früher.

Markerbegriffe „Gegenwart“ gehören nicht in Texte, die in der Vergangenheit angesiedelt sind. Es sei denn, in die Geschichte werden Passagen eingeflochten, die z. B. in wörtlicher Rede diese Begriffe bedingen. Dieser Grundsatz gilt natürlich auch umgekehrt: findet die Story in der Gegenwart statt, gehören Markerbegriffe, die auf die Vergangenheit deuten, nur in Passagen, die Rückblicke formulieren.

Wirkung der Erzählzeiten

Die Wahl der Erzählzeit verleiht dem Text eine ganz bestimmte Wirkung:

Gegenwart: Die Leserin und der Leser sitzen quasi dem Erzähler auf der Schulter und erleben 1:1 das Geschehen mit. Sie sind sehr dicht dran, als ob alles vor ihren eigenen Augen passiert. Sie werden förmlich in den Erzählstrom in Jetztzeit hinein gezogen, sind unmittelbar als BeobachterInnen dabei.

Vorteile der Gegenwart:

Im Präsens werden keine Hilfsverben gebraucht, um Verben zu konjugieren, daher sind deutlich weniger „hatte/ hatten“ und „war/ waren“ bei der Bildung des Plusquamperfekts nötig.

Mit Texten in der Gegenwart hebst du dich ab. Durch bewußt anders schreiben, kannst du deinen eigenen Stil herausbilden, experimentieren mit Sprache hat seinen ganz eigenen Reiz. Womöglich wirst du polarisieren, aber hei: was ist schlimm daran? Eine Reaktion bringt Diskussion und fördert Sichtbarkeit. Gerade bei Jungautorinnen und -autoren gar nicht so verkehrt, wenn dies eine Wirkung nach sich zieht, oder?

Vergangenheit: Sie ist die meistgewählte Erzählzeit in der Literatur, frei nach dem Motto „das war schon immer so“. Insgesamt erleben Leserin und die Leser die Handlung ein wenig distanziert. Da von Anfang an klar ist, dass es sich bei der Geschichte um eine bereits geschehene handelt, kann nichts verpasst werden, sie ist ja bereits passiert.

Hast du dir schon einmal darüber Gedanken gemacht, in welcher Zeit du schreibst? Oder hat dir mein Artikel einen neuen Blickwinkel, eine neue Herangehensweise eröffnet?

Dann freue ich mich über dein Feedback! Lies dich gern weiter durch meine Blogartikel mit Schreibtipps: Du findest sie in die Kategorie „Kreatives Schreiben“ oder kontaktiere mich, wenn du mit mir arbeiten möchtest!

Ich wünsche dir eine kreative Schreibzeit!

Gabi 🙂

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert