Worte, die mir auf den Geist gehen

Veröffentlicht am Kategorisiert in Korrektorat und Lektorat
Frau mit langen grauen Haaren schaut skeptisch in die Kamera.
Warum ich mir ein Pseudonym zugelegt habe? Das beantworte ich dir gern!

Sprache ist frei. Sprache ist Entwicklung. Sprache ist Zeugin von Veränderung. Und bei aller Toleranz und Flexibilität drückt sie natürlich auch einen gewissen Zeitgeist aus. Fachtermini rücken aus ihren wissenschaftlichen Blasen in den umgangssprachlichen Raum. Doch einiges davon geht mir auf die Nerven. Nicole Isermann hat mit ihrer Blogparade dazu aufgerufen, sich Gedanken zu machen, ob unsere Sprache den Bach runtergeht. Für mich die perfekte Gelegenheit, mal Dampf abzulassen und die Worte aufzulisten, die mir auf den Geist gehen – und warum!

Anglizismen

Ich weiß, insbesondere im Online-Bereich werden vielfältige Begriffe aus dem Englischen in deutsche Texte gepackt. Das ist einfach, jeder versteht sie. Und doch haben wir mit der deutschen Sprache eine riesengroße Auswahl an Worten, die das Gleiche aussagen. Wir müssen sie nur suchen und nutzen.

Zu diesen Begriffen gehört zum Beispiel jede Menge „Marketing-Sprech“ (nur eine kleine Auswahl an dieser Stelle, sonst führte das zu weit):

  • Feedback – Rückmeldung
  • Business – Unternehmen
  • Coaching – Beratung
  • Creative writing – Kreatives Schreiben
  • Speaker – Redner
  • busy – beschäftigt
  • Meeting – Besprechung
  • hot – interessant
  • cool – klasse
  • woke – angesagt
  • slow down – komm runter
  • Marketing – Vertriebsstrategie
  • hipp – in Mode

Mein Tipp: Mach dir einmal die Mühe und schaue genau hin. In den meisten Fällen wirst du eine deutsche Entsprechung des Marketing-Sprechs finden!

Verbale Übertreibungen

Ich bin ein zu Begeisterungsstürmen fähiger Mensch. Wenn mir etwas gefällt, bringe ich das auch zum Ausdruck. Doch mehr als „das Beste“ existiert nicht. Daher hier eine kurze Auswahl von verbalen Übertreibungen, die mir wirklich auf den Geist gehen:

  • extremst
  • sehr sehr
  • mega
  • unfassbar
  • das Allerbeste
  • wirklich (genial, besonders, super)
  • hammer
  • am Allerschönsten
  • irre (gut, krass)

Mein Tipp: Beobachte dich selbst in der Nutzung von Steigerungsformen. Nicht immer ist „mehr“ automatisch auch mehr! Das Besinnen auf die eigentliche Wortbedeutung macht sensibler für den eigenen Umgang mit der Sprache.

Psychologische Begriffe

Nerven mich die beiden vorangestellten Begriffsfelder schon deutlich, so stellen sich bei der Übernahme psychologischer Begriffe in die Alltagssprache meine Nackenhaare auf. Wer schon einmal einen Therapeuten besucht hat, kennt diese Begriffe, sie werden zusammengefasst unter dem Begriff Therapy speech (ein weiterer Anglizismus, „Fachbegriffe aus der Psychotherapie“ ist wohl zu lang?). Sie dienen der Diagnostik und definieren Krankheitsbilder. Warum, zur Hölle, werden sie seit längerer Zeit so derart selbstverständlich für Zusammenhänge benutzt, die nur ansatzweise in die Richtung gehen?

Ist dir auch schon einmal aufgefallen, dass seit geraumer Zeit

  • jede Beziehung, die nicht gut ausgeht toxisch ist?
  • unfassbar viele Dinge gleichzeitig geschehen?
  • Achtsamkeit in aller Munde ist?
  • eine Lernentwicklung direkt eine Lernkurve ist?
  • jeder, der an sich arbeitet, seine Komfortzone verlässt?
  • unangenehme Dinge automatisch traumatisch wirken?

Mein Tipp: Belasse Fachausdrücke und deren -sprache bei den Fachleuten. Maße dir nicht an, mit fremden Diagnosebegriffen die Welt zu erklären. „Schuster, bleib bei deinem Leisten!“, drückt das sehr gut aus. Wer sich ohne wirkliche Fachkenntnis diese Worte aneignet, könnte seine Glaubwürdigkeit damit aktiv selbst untergraben. Wäre das gewollt?

Das Allerweltswort „schön“

Das Wort schön verkommt zum Allerweltswort. Alles und jeder ist schön. Schon einmal darüber nachgedacht? Hier nur ein paar wenige Beispiele, die zum Nachdenken anregen dürfen:

  • Schönes Wetter ist sonnig oder warm.
  • Schöne Musik ist wohlklingend oder harmonisch.
  • Eine schöne Stimmung kann entspannt oder anregend sein.
  • Schön, dann machen wir das kann bedeuten, ich bin einverstanden.
  • Schöne Scheiße! Echt jetzt? Mist ist schön?
  • Das hast du schön gemacht! Sauber gearbeitet? Akribisch aufgeräumt? Mühsam angefertigt? Ja, was denn nun?

Mein Tipp: Die passende Nutzung von schön ist für die Beschreibung von Schönheit im optischen Sinne. Schöne Frisuren, schöne Schrift, ein schönes Kleid. Und selbst dafür fänden sich detailliertere Beschreibungen wie „aufwändig, akkurat, kunstvoll“. Das ist zumindest meine Meinung.

Ja, mir gehen diese Begriffe wirklich auf den Geist, auf den Nerven, auf den Senkel! Gut, dass Nicole Isermann mir die Bühne gegeben hat, das endlich einmal auszudrücken.

Ich werde diese Liste übrigens von Zeit zu Zeit überarbeiten und ergänzen. Denn wie ich in meiner Einleitung schon schrieb: Sprache ist Entwicklung.

Und nun bin ich neugierig: Welche Begriffe nerven dich? Teile sie gern hier unten im Kommentarbereich und lass uns sehen, welche Veränderung wir selbst in unserem Sprachgebrauch anstoßen können. Ich freu mich drauf!

Deine Gabi.


14 Kommentare

  1. Ich liebe dein Beitragsbild, liebe Gabi! Großartiger Artikel – kann ich alles nachvollziehen. Bei „schön“ ist mir sofort „nett“ eingefallen. Das ist für mich so ein Unwort, das mich „irre“ nervt! 🙂
    LG – Uli

    1. Liebe Uli,
      natürlich war ich sofort neugierig auf deinen eigenen Artikel zum Thema nervige Begriffe.
      Herrlich, was habe ich gelacht über deine überaus unkonventionelle Schreibe.
      Erfrischend und von Grund aus ehrlich.
      Ich stimme dir in so vielem überein, und doch gehen wir unterschiedlich an das Thema heran.
      Super, dass du dich an diesen Artikel gemacht hast und ich wundere mich, wie breit dein Thema „Ausmisten“ ist. Macht vor nix halt und das ist gut so!
      Lächelnde Grüße nach Wien,
      Gabi.

  2. Wieder einmal auf den Punkt gebracht, liebe Gaby
    Mich nerven:
    – absolut
    – megagut
    – hammermäßig
    Und es werden oft Begriffe verwendet, von denen man keine Ahnung hat, wie zum Beispiel die Aussage: der oder die ist ja schizophren. Das finde ich besonders tragisch, diese Krankheit will wirklich keiner.
    Allerdings muss ich selber bei mir aufpassen, da schleicht sich manchmal auch ein Unwort ein. Dein Artikel ist für mich eine gute Möglichkeit, meine Sprachgewohnheiten zu überprüfen.
    Mit allem Anderen bin ich bei dir.
    Lieben Gruß, Birgit

  3. Liebe Gabi,
    deine Sammlung an Wörtern, die dir auf die Nerven gehen, finde ich super, vor allem die „Therapy- Speech“-Begriffe, die man im Coaching so oft liest. Dabei fällt mir gleich noch das Marketingwort SALE ein, dass den guten, alten Schlussverkauf abgelöst hat. Alles muss neu, aufregend und modern-übertrieben klingen – das muss doch nicht sein … Einzig bei „Schöne Scheiße“ bin ich nicht bei dir: Das ist stilistisch so ein schönes – nein Aufmerksamkeit erregendes – Gegensatzpaar, das ich verwenden würde, wo es passt.
    Danke für diesen tollen Beitrag!
    Liebe Grüße
    Nicole

    1. Liebe Nicole,
      danke dir für deine Blogparade und die Gelegenheit, einmal wirklich den Sprachschatz nach weniger schätzenswerten Begriffen zu durchforsten.
      Hat mir Spaß gemacht und ich muss schmunzeln angesichts deiner Verteidigung für die „schöne Scheiße“…
      Wie immer oder doch so oft: auf den Blickwinkel kommt es an, von daher stimme ich dir durchaus zu:-)
      Viele Grüße
      Gabi

  4. Liebe Gabi, da triffst du einen Nerv bei mir! Jeder arbeitet heute gleich als „Coach“. Früher gab es Steuerberater und Ernährungsberater. Jetzt heißt es Ernährungs Coach oder noch besser Glücks Coach. Herzlich willkommen bei „Ich erfinde einen Beruf“ Ach nein, das muss gleich die Berufung oder der Traumjob sein! Du merkst, ich schreibe mich in Rage und das obwohl ich Marketing studiert habe 😉 Vg Miriam

    1. Liebe Miriam,
      freue mich, deine Zustimmung lesen zu dürfen! Herzlichen Dank!
      Wenn nur genügend Leute in dieses Horn blasen, wird vielleicht irgendwann auch das Marketing- und Beraterwesen wieder in weniger modischen Begrifflichkeiten unterwegs sein, DAS würde mich zumindest sehr ansprechen:-)
      Und sich in Rage schreiben, das darf auch einmal sein, also nur zu!
      Grüße mit Zwinkern,
      Gabi

  5. Ich finde ja, ein schönes Feedback ist doch megacool. Unfassbar, wie das deine Lernkurve steigern wird.
    Spass …
    Deine Kategorien von Nerv-Wörtern sind auch ein weites Feld. Uns Sprach-Verliebten kommt doch da noch einiges in den Sinn. Liebe Grüße, Heike

    1. Lach, Heike, danke für deine humorvolle Nachricht:-)
      Ja, mit den Worten ließe sich die Liste noch seitenlang weiterführen… und das wird auch passieren,
      wart´s ab:-)
      Viele Grüße
      Gabi

  6. Liebe Gabi, vielen Dank für den Artikel und fürs Augenöffnen. Bei einigen Begriffen halte ich mit, Business ist für mich allerdings mehr als nur das Unternehmen. Und schöne Scheiße …, naja, manchmal nutzt mal Widersprüche, um etwas mehr Ausdruck zu verleihen.
    Ich werde achtsamer sein in meiner Wortauswahl, soviel ist sicher! Wobei ich grad nicht weiß, ob das Wort hier korrekt gewählt ist.
    Meine Trigger sind ‚nett‘ und ‚schade‘, letzteres in ganz bestimmten Zusammenhängen. Da sehe ich rot.
    Liebst, die Ulrike

    1. Hei Ulrike… lach… ich weiß, was du meinst… Nett als das kleine Wort für Sch…. grins.
      Ja, wir könnten noch viele Worte mehr finden, die bei uns die Nerv-Glocke erklingen ließen…
      Wichtig ist, sich selbst dahingehend auch ab und zu zu hinterfragen, denn die Gewohnheit und der Alltags-Sprachgebrauch dringen auch in mein Bewußtsein…
      Viele Grüße
      Gabi

  7. Hallo Gabi,

    ich habe geschmunzelt, als ich Dein Allerweltswort „schön“ gelesen habe. Bei mir ist es die beiden Wörter „interessant“ und „spannend“ – ab und zu auch synonym verwendet.

    Herzlichen Gruß aus Limburg
    Manuela

    1. Hallo Manuela,
      ja, auch diese Begriffe können schwammig und wenig detailliert über Inhaltsleere hinwegführen,
      ich bin sehr angetan davon, wie unterschiedlich wir Sprache-Nutzenden Ausdrücke passend oder vollkommen nervig wahrnehmen.
      Danke für deinen Beitrag, über „interessant“ und „spannend“, die ich tatsächlich häufiger nutze, werde ich mal gewissenhaft nachdenken:-)
      Gruß Gabi

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