Was ist der Unterschied zwischen Erzählung und Kurzgeschichte?

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Eine in eine Kladde schreibende Hand mit Kugelschreiber

Eine Erzählung ist eine Geschichte. Eine Kurzgeschichte ist auch eine Geschichte. Eine Erzählung ist jedoch im Umkehrschluss nicht unbedingt eine Kurzgeschichte. Worin sich die beiden Begrifflichkeiten unterscheiden, erfährst du in diesem Blogartikel.

Eigenschaften einer Erzählung

Eine Erzählung ist eine Geschichte. Die Autorin oder der Autor bereitet Geschehnisse schriftlich auf, so dass die Lesenden all das erfahren, was passiert. Struktur und Umfang liegen vollkommen frei in der Hand des Schreibenden.

Struktur einer Erzählung

Jeder guten Erzählung liegt eine geplante Struktur zugrunde, die die Leser an die Hand nimmt und ihn durch die Handlung führt. Fünf Haupt-Strukturen möchte ich hier als Beispiel nennen:

  1. Lineare Erzählung: Diese Erzählform folgt einer geradlinigen, chronologischen Struktur, in der die Ereignisse in der Reihenfolge ihres Auftretens präsentiert werden, ohne größere Zeitsprünge oder Rückblenden.
  2. Episodische Erzählung: Bei dieser Erzählstruktur sind die Ereignisse in einzelne Episoden oder Kapitel aufgeteilt, die oft lose miteinander verbunden sind. Jede Episode kann eine eigenständige Geschichte erzählen, die jedoch in einem übergeordneten Rahmen zusammengehalten wird.
  3. Rückblende: Eine Rückblende ist eine Erzähltechnik, bei der die Handlung aus der Gegenwart in die Vergangenheit springt. Dies ermöglicht es, wichtige Informationen oder Hintergrundgeschichten über Charaktere oder Ereignisse zu enthüllen, die zur Entwicklung der Geschichte beitragen.
  4. Rahmenerzählung: Diese Erzählform besteht aus einer Haupterzählung, die eine Rahmenhandlung bildet, innerhalb derer sich weitere Geschichten entfalten. Die Rahmenerzählung umgibt und verbindet die Nebengeschichten, die oft von verschiedenen Erzählern oder Perspektiven präsentiert werden.
  5. Nichtlineare Erzählung: Diese Erzählweise bricht mit der traditionellen linearen Struktur und verwendet Zeitsprünge, Flashbacks oder alternative Realitäten, um die Geschichte in verschiedenen zeitlichen oder räumlichen Ebenen zu präsentieren. Dies schafft eine komplexe Erzählstruktur und erfordert oft eine aktive Zuschauer- oder Leserschaft, um die Teile zusammenzufügen.

Gemeinsam ist diesen Erzähl-Strukturen, dass sie sehr komplex aufgebaut sind und somit verschiedene Möglichkeiten bieten, Geschichten zu gestalten und die Leserschaft auf unterschiedliche Weise einzubeziehen.

Umfang einer Erzählung

Der Umfang, sprich die Seitenzahl, ist bei einer Erzählung nicht festgelegt. Die Schreibenden bestimmen ihn selbst und je nach Länge werden die Texte in unterschiedliche Textgattungen eingruppiert. Bezogen auf den Umfang einer Erzählung wird im Allgemeinen auf diese Weise unterschieden:

  1. Kurzgeschichte: Eine kurze Erzählung, die in der Regel auf einen einzigen Vorfall, eine Begegnung oder ein Thema fokussiert ist. Sie konzentriert sich oft auf einen Wendepunkt oder eine überraschende Enthüllung und ermöglicht es dem Leser, in kurzer Zeit eine vollständige Geschichte zu erleben.
  2. Novelle: Eine längere Erzählung als eine Kurzgeschichte, aber kürzer als ein Roman. Sie bietet mehr Raum für Charakterentwicklung und komplexe Handlungsstränge. Novellen haben oft eine klar definierte Struktur und ein zentrales Thema, das im Laufe der Geschichte erkundet wird.
  3. Roman: Eine ausführliche Erzählung mit komplexer Handlung, umfangreicher Charakterentwicklung und oft mehreren Handlungssträngen. Romane bieten Raum für detaillierte Beschreibungen, Hintergrundgeschichten und subtile Nuancen. Sie können verschiedene Genres abdecken und ein breites Spektrum an Themen behandeln.
  4. Epische Erzählung: Eine umfangreiche Erzählung, die eine epische Breite und Tiefe aufweist. Sie konzentriert sich oft auf heldenhafte Figuren, die über einen längeren Zeitraum hinweg Abenteuer erleben. Epische Erzählungen umfassen häufig komplexe mythologische oder historische Hintergründe und entfalten sich in mehreren Bänden.
  5. Saga: Eine weitreichende Erzählung, die über mehrere Generationen hinweg eine umfangreiche Geschichte erzählt. Sie enthält oft eine Vielzahl von Charakteren und Schauplätzen, die sich im Laufe der Zeit entwickeln und verändern. Sagas sind häufig mit einer bestimmten Kultur oder einem bestimmten historischen Kontext verbunden und können epische Ausmaße erreichen.

Merkmale einer Kurzgeschichte

In meinen Schreibkursen, die meist abends stattfinden, haben wir meist eine Zeitbeschränkung. Auch wenn ich Tages-Workshops veranstalte, ist die Stundenanzahl des gemeinsamen Schreibens und Vorlesens der entstandenen Texte begrenzt. Daher konzentriere ich mich meist auf Schreibimpulse für Kurzgeschichten oder Lyrik. Wie im vorherigen Kapitel dieses Blogartikels schon kurz angerissen, ist eine Kurzgeschichte ein überschaubarer Text, der jedoch eine komplette Geschichte erzählt.

Durch die Einhaltung der folgenden Merkmale gehört eine Erzählung in die Gattung Kurzgeschichte:

  • Beginne mit einem narrativen Haken, der direkt in das Geschehen einführt. Dadurch entsteht Sapnnung und Neugier auf das, was kommt.
  • Kurze und treffende Formulierungen zeichnen eine Kurzgeschichte aus. Bei dieser Textform liegt die „Würze in der Kürze“. Ausschweifende Beschreibungen werden auf das Notwendige beschränkt.
  • Inhalt der Erzählung ist ein abgeschlossenes Zeitfenster, das Davor und Danach wird ausgeblendet, weder die Vergangenheit oder Zukunft spielen eine Rolle. Der Leser wird in die Handlung geworfen, geht somit lediglich einen kleinen Ausschnitt des Weges mit dem Protagonisten.
  • Maximal 1-2 Protagonisten: für den Fortgang der Geschichte werden nur absolut notwendige Nebenpersonen eingeführt, bestenfalls verzichtet die Autorin komplett auf sie.
  • Einsträngige Erzählweise, das bedeutet, die Geschichte konzentriert sich auf den Protagonisten, eine Handlungszeit und möglichst nur einen Ort, sie baut keine Nebenschauplätze auf.
  • Die Pointe, Überraschung und Lösung kommt zum Schluss. Idealerweise hört eine Kurzgeschichte mit einem Ende auf, das den Lesenden „darüber hinaus“ denken lässt. Ob dafür ein offenes oder wirklich abgeschlossenes Ende gewählt wird, obliegt der Verfasserin.
  • In sich ist die Kurzgeschichte jedoch abgeschlossen. Eine Fortsetzung ist nicht angelegt.
  • Maximal 5-6 (Norm-)Seiten, wobei eine Normseite 1800 Zeichen entspricht (= 30 Zeilen mit 60 Anschlägen). Für Kurzgeschichten-Wettbewerbe gelten oftmals strenge Vorgaben, hier sollte sich der Text klar danach richten, ansonsten wird er womöglich aus rein formalen Gründen direkt aussortiert.
  • Erzählperspektiven: alle drei sind möglich, ob auktorial, personal oder sachlich entscheidet allein die Autorenschaft. Besonders gut geeignet ist jedoch die personale Erzählperspektive, die dem Erleben des Protagonisten direkt folgt. Seine Sicht lässt Gefühle und den individuellen Fortgang des Geschehens am besten einfangen.

Hauptsache ist: schreiben!

Wer den Wunsch verspürt zu schreiben, ist anfangs womöglich unsicher, womit er anfangen kann. Ich sage daraufhin stets: schreib drauflos! Egal, wie ungeordnet oder wirr die ersten Gedanken aufs Papier oder in die Tastatur fließen, Hauptsache ist: schreiben. Die Kurzgeschichte ist sehr gut dafür geeignet, sich zunächst auf einen begrenzten Umfang zu konzentrieren. Sie ist relativ schnell verfasst und lässt sich flott überarbeiten. Der erste Erfolg einer fertigen Geschichte motiviert für weitere. Jede Kurzgeschichte lässt sich anschließend aufdehnen, ausschmücken und dadurch weiten. Sie kann somit Kernstück, Idee oder Vorlage einer Novelle oder eines Romans werden:-)

Doch auch einzelne Kurzgeschichten aneinandergereiht können eine längere Erzählung ergeben, je nach Thema und dem roten Faden, dem sie insgesamt folgen.

Hast du Lust bekommen, dich an einer Kurzgeschichte zu versuchen? Wenn ja, und du sie mit mir teilen möchtest, freue ich mich auf deine Kontaktaufnahme per E-Mail🙂

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Ich freue mich auf kreativen Austausch!

Deine Gabi

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