Tatsächlich ist mir diese Textform erst vor vier Jahren vor die Füße gefallen, äh, besser gesagt, vom Instagram-Algorithums in meinen Feed gespült worden. (Für nicht Instagrammer sei an dieser Stelle das Wort „Feed“ erklärt: das sind die automatisch eingespielten Beiträge anderer, die mir angezeigt werden, wenn ich die Plattform nutze.) Wahrscheinlich, weil das Drabble sich wegen seines kurzen Formats perfekt dazu eignet, auch im schnelllebigen Social-Media-Bereich kleine, abgeschlossene Geschichten zu teilen. Und damit bin ich schon direkt bei der Erklärung: Was ist ein Drabble?
Definition Drabble
Als Drabble wird eine abgeschlossene Geschichte bezeichnet, die aus exakt 100 Wörtern besteht. EINHUNDERT, nicht 103 oder 96, sondern genau 100. Dabei wird die Überschrift nicht mitgezählt, sondern nur der reine Textkörper.
Diese knappe Struktur erfordert Präzision und Kreativität, um eine vollständige Geschichte oder Stimmung zu vermitteln. Obwohl die Länge begrenzt ist, bietet ein Drabble dennoch Raum für vielfältige Themen, Genres und Stile.
Ein Drabble besticht also durch Komplexität bei besonderer Kürze. Es beinhaltet gern eine besondere Pointe, wie z. B. auch kleine Sketche oder Witze sie haben. Das ist jedoch kein Muss. Grundsätzlich ist ein Drabble einzuordnen in die Textgattung Kurzgeschichte, als Kürzestgeschichte.
Herkunft des Drabbles
Ursprünglich wurde der Begriff „Drabble“ in den 1980er Jahren von der britischen Comedy-Gruppe „Monty Python“ geprägt: als sie einen Sketch bei BBC zu kurzen Texten veröffentlichten, in dem sie Bezug auf die Autorin Margaret Drabble nahmen. Deren Nachnamen wandelte Monty Python um zu „Drabbles“, der Name der neuen literarischen Textform war geboren. Seitdem hat sich das Drabble als eigenständiges Genre etabliert und erfreut sich einer wachsenden Fangemeinde.
Merkmale des Drabbles
Eine der Herausforderungen beim Schreiben eines Drabbles besteht darin, eine vollständige Handlung oder Idee in einem begrenzten Raum zu entwickeln. Jedes Wort muss sorgfältig ausgewählt werden, um maximale Wirkung zu erzielen. Jedes Drabble sollte einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben, oft mit einer überraschenden Wendung oder einer Schlussfolgerung, die den Leser zum Nachdenken anregt.
Die Vielseitigkeit des Drabbles ermöglicht den Autoren, mit verschiedenen Stilen und Techniken zu experimentieren. Ein Drabble kann humorvoll, düster, romantisch, surreal oder sogar philosophisch sein. Durch die Begrenzung auf 100 Wörter werden Autoren gezwungen, ihre Sprache zu straffen und unnötigen Ballast zu eliminieren, was zu einer intensiven und konzentrierten Erzählweise führt.
Ein weiterer Reiz des Drabbles liegt in seiner Zugänglichkeit. Aufgrund seiner Kürze eignet es sich ideal für den schnellen Konsum, sei es beim Lesen in sozialen Medien, in Zeitschriften oder bei öffentlichen Lesungen. Es ist eine Form der Literatur, die auch für Menschen mit wenig Zeit oder Geduld zugänglich ist, aber dennoch eine tiefgründige und befriedigende Leseerfahrung bietet.
Ein eigenes Beispiel
Hier habe ich noch ein Beispiel aus eigener Juli-Norden-Feder:
Waldschrat
Wildwuchs auf dem Kopf: Locken in allen Farbschattierungen von braun-schwarz zu grau-weiß. Da, wo sich das Stirnhaar teilt, blitzen spitzbübisch braune Augen. Sie lachen mich an und gehören meinem Kumpel Anton, der sich mit Fotoapparat hinter einem Stapel Altholz in meine Richtung bewegt. Einer jener horizontal am Stamm wachsenden Pilze hat seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und musste digital festgehalten werden. „Du siehst gerade aus wie ein Waldschrat, der von seiner Versammlung mit Elfen und Trollen heimwärts geht!“, lache ich ihn an. „Echt? Nun, das wäre durchaus wünschenswert in dieser verkorksten Welt, würden wir Menschen mehr auf die Naturgeister achten.“
© Juli Norden 12.11.21
Wo Drabbles verwendet werden
Drabbles finden sich in einer Vielzahl von literarischen Kontexten, darunter Anthologien, Online-Foren, Blogs und Wettbewerben. Sie dienen oft als kreative Übungen, um das Schreiben zu üben und die Fähigkeit zur Präzision zu entwickeln. Viele Autoren nutzen Drabbles auch als Inspiration für längere Arbeiten, indem sie Ideen oder Charaktere aus ihren Drabbles erweitern und entwickeln.
Die Grenzen des Drabbles sind flexibel, und es gibt verschiedene Variationen dieser Form. Zum Beispiel gibt es „Double Drabbles“, die aus exakt 200 Wörtern bestehen, oder „Drabble-Serien“, die mehrere Drabbles miteinander verknüpfen, um eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen. Trotz dieser Variationen bleibt die Grundidee des Drabbles – eine kurze, prägnante Erzählung in genau 100 Wörtern – erhalten.
Mein Fazit zum Drabble
Insgesamt ist das Drabble eine faszinierende Form der Literatur, die durch ihre Knappheit und Konzentration eine einzigartige Herausforderung darstellt. Es fordert Autoren dazu auf, ihre Fähigkeiten zur Sprache zu verfeinern und ihre kreativen Grenzen auszuloten, während es gleichzeitig Lesern eine unmittelbare und bereichernde Leseerfahrung bietet.
Spannend ist das Verfassen eines Drabbles alle Mal. Denn auf genau die 100 Worte zu kommen, bedarf es nach einem ersten Entwurf der konzentrierten Überarbeitung. Entweder muss noch ergänzt werden oder gekürzt und das, ohne dabei die Dichte der Geschichte zu schmälern.
Hast du schon einmal ein Drabble geschrieben? Versuch das einfach! Es macht Spaß!
Gabi Kremeskötter
Liebe, die durch Worte strahlt
Freie Rede – Schreibworkshops – Lektorat
Liebe Gabi,
Drabbles kannte ich auch noch nicht, klingt sehr cool!
So wie bei Elfchen und Haikus Silben- oder Wort-genau zu schreiben, ist eine echte Herausforderung!
Das werde ich nicht m Rahmen meiner #DUDENchallenge2024 mal ausprobieren. 👍😊
Danke für diese schöne Inspiration ubd
liebe Grüße.
Nicole
Hallo Nicole,
freue mich, dass ich dir textaffiner Menschin tatsächlich einen neuen Schreibtipp geben konnte,
jeah…! Ich bin gespannt auf deine Challenge und dein eigenes erstes Drabble:-)
Gruß Gabi
Danke liebe Gabi für die ausführliche Erklärung. Bei mir war ein großes Fragezeichen, denn dieses Wort kannte ich nicht. Deshalb habe ich mit Interesse deinen Artikel gelesen und wieder etwas gelernt.
Herzliche Grüße von Anita
Hallo Anita,
hei, das freut mich, solch eine Resonanz auf meine Erklärartikel wünsch ich mir jetzt immer 😉
Gruß Gabi
Das kannte ich auch noch nicht. Solche Übungen finde ich aber immer gut. Ich neige auch dazu, zu ausschweifend zu sein. Wie hieß es bei Loriot? Ich hab keine Zeit, mich kurz zu fassen 😉
Da ist viel Wahres dran.
Von daher: gute Anregung.
Drabbel Dich gut durch den Tag
Liebe Britta,
gutes Zitat von Loriot! Das kannte ich noch gar nicht:-)
Freu mich, dass du also bald mal ein Drabble verfasst… schickst du es mir?
Gruß Gabi